Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert neue Test-Strategie

Streit um Teststrategie: Corona-Schnelltests könnten in die Irre führen

 Berlin, Karl Lauterbach gibt ein Interview im Bundestag Karl Lauterbach spd während eines Interviews im Deutschen Bundestag am 26.02.2021. Berlin Bundestag Berlin Deutschland *** Berlin, Karl Lauterbach gives an interview in the Bundestag Karl Lauterbach spd during an interview in the German Bundestag on 26 02 2021 Berlin Bundestag Berlin Germany
Berlin, Karl Lauterbach gibt ein Interview im Bundestag Karl Lauterbach (spd) während eines Interviews im Deutschen Bun
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Am Mittwoch ist es so weit: Bund und Länder stimmen sich über das weitere Vorgehen in der Coronakrise ab. Vor den Beratungen zwischen Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten werden jedoch die Stimmen derjenigen lauter, die für einen umfassenden Einsatz von Schnell- und Selbsttests für mehr Lockerungen plädieren. Doch gerade der Einsatz an Schulen stößt auf Kritik bei Ärzten. SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach betont im Gespräch mit RTL/ntv die Vorteile der Selbsttests.
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Ärzte gegen ein breites Testen an den Schulen

Eine umfassende Teststrategie, so die Hoffnung vieler, könne den Weg zu mehr Normalität ebnen. Gerade Bundesgesundheitsminister Jens Spahn steht hier nach vollmundigen Ankündigungen in der Bringschuld. Tatsächlich sieht ein Entwurf des Bundesgesundheitsministerium, der RTL/ntv vorliegt, zu einer solchen Strategie zweierlei vor: vom Bund finanzierte flächendeckende und kostenlose Schnelltestangebote sowie die Freigabe und Beschaffung von Selbsttests. Der Umgang mit beidem aber ist umstritten.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und drei weitere Verbände wenden sich in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen ein breites Testen an den Schulen, sowohl mit Antigen-Schnelltests als auch mit Selbsttests. Die zu erwartende hohe Zahl an falsch negativen und falsch positiven Ergebnissen würde mehr Schaden anrichten als nutzen. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich die Kinder und Jugendlichen in falscher Sicherheit wögen und Abstands- und Hygieneregeln weniger konsequent eingehalten würden. Zudem fürchten die Autoren psychische Belastungen durch ständiges Testen.

Ein Entwurf zum Corona-Gipfel sieht vor, "dass das Personal in Schulen und Kinderbetreuung sowie alle Schülerinnen und Schüler pro Präsenzwoche das Angebot von (...) kostenlosen Schnelltests einschließlich einer Bescheinigung über das Testergebnis erhalten". Das Bundesgesundheitsministerium hält zusätzliche Schnelltests für geeignet, um an Schulen, in der Berufswelt und vor privaten Treffen zusätzliche Sicherheit zu schaffen.

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Karl Lauterbach: "Der Test ist nicht genau genug"

Im Gespräch mit RTL/ntv räumt auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die höhere Unzuverlässigkeit von Schnelltests ein: „Der Test ist nicht genau genug, um jeden einzelnen Fall zu verhindern. Ungefähr 40 Prozent derjenigen, die angesteckt sind, fallen bei so einem Test, der selbst durchgeführt wird, durchs Raster.“ Allerdings würden Infektionscluster dennoch zuverlässig entdeckt, wenn an Schulen oder Betrieben Gruppen getestet werde. Nach einem positiven Ergebnis könnten die jeweiligen Gruppen noch immer einem ordentlichen Test unterzogen werden.

Die Antigen-Schnelltests sollen nach Vorstellung des Ministeriums unter der Ägide von Jens Spahn noch im März im ganzen Land angeboten werden. Demnach könnten Ärzte und Apotheken diese Dienstleistung genauso durchführen wie private Anbieter, sofern sie die entsprechenden Qualifizierungen vorbringen. Das Ministerium kalkuliert mit Kosten von 6 Euro pro Test sowie einer Vergütung von 12 Euro pro Test und Ausstellung eines Ergebnisses.

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"Wir brauchen ein gutes Testkonzept"

Es sei vorstellbar, dass der Einzelhandel für frisch getestete Kunden geöffnet werde, so Lauterbach. Aber: „Zum jetzigen Zeitpunkt können keine Lockerungen vorgenommen werden.“ Erst einmal gelte es, eine Impfinfrastruktur aufzubauen und eine Strategie zu etablieren. Das Beispiel der Lockerungen in Österreich bei gleichzeitigem, massenweisen Testen zeige, dass die Ansteckungszahlen wieder massiv steigen könnten. „Wir brauchen ein gutes Testkonzept“, so Lauterbach. Es bestehe das Risiko, dass sonst die Bevölkerung falsch teste oder die Dauer der Gültigkeit eines Negativergebnisses überschätze. Zudem seien Selbsttests unnütz, wenn Positivergebnisse ignoriert würden .