Braunkohle-Ort Keyenberg

C02-neutral und trotzdem droht der Bagger: Klimadorf soll Kohle weichen

Die Klimapolitik und der damit verbundene Ausstieg aus der Braunkohle sind neben der Coronapandemie wohl das Thema des Bundestagswahlkampfs. Und beim Thema Kohle könnte sich für CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet das nächste Debakel anbahnen. Denn während er seine Klimaziele erklärt, rollt der Braunkohlebagger auf die nächsten Dörfer in seinem Bundesland zu.

Keyenberg ist 100 Prozent klimaneutral

Das Dorf Keyenberg liegt am Rande des Braunkohlereviers Garzweiler in Nordrhein-Westfalen und ist im Prinzip auch nur eines von dutzenden Dörfern, die der Energie-Riese RWE der Landesregierung abgekauft hat, um dort Braunkohle zu fördern. Doch Keyenberg ist anders. Denn hier regt sich aktiver Widerstand und die Einwohner demonstrieren nicht nur, sie handeln auch. Sie haben gemeinsame eine Art Klimaschutz-Allianz gebildet und setzen dafür auf erneuerbare Energien.

+++ Nach Flutkatastrophe: RWE stellt leerstehendes Dorf als Unterkunft zur Verfügung +++

Konkret heißt das: 26 Haushalte des ehemals 900 Seelen-Dorfes haben ihre Häuser so stark mit Photovoltaik-Anlagen bestückt, dass das Dorf sich inzwischen selbst mit Energie versorgen kann. Mit anderen Worten: Keyenberg ist 100 Prozent klimaneutral.

Wie sinnvoll ist es, ein klimaneutrales Dorf für Braunkohle wegzubaggern?

 Presse-Briefing mit Wirtschaftsminister Pinkwart zur neuen Sommerkampagne fuer den Tourismus Aktuell, 07.07.2021, Duesseldorf, Andreas Pinkwart Minister fuer Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen beim Presse-Briefing zur neue Sommerkampagne Sicher sehen wir uns wieder fuer den Tourismus Duesseldorf Nordrhein-Westfalen Deutschland *** Press Briefing with Minister of Economic Affairs Pinkwart on the new summer campaign for tourism News, 07 07 2021, Duesseldorf, Andreas Pinkwart Minister for Economic Affairs, Innovation, Digitalisation and Energy of the State of North Rhine-Westphalia at the press briefing on the new summer campaign Sure to see you again for tourism Duesseldorf North Rhine-We
Nach der Meinung von NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart ist die Braunkohle alternativlos.
www.imago-images.de, imago images/Political-Moments, via www.imago-images.de

Besonders kurios: Nur 300 Meter weiter steht das Gegenmodell zum klimaneutralen Dorf: Der Braunkohlebagger des Energiekonzerns RWE und der frisst sich immer näher an Keyenberg heran. Ursprünglich bis 2023 sollten deshalb alle Keyenberger ihr Dorf verlassen. Inzwischen wurde die Deadline auf 2026 verschoben – eine Gnadenfrist für das kleine Dorf.

+++ Braunkohlegegner besetzen Kohlebagger am Tagebau Garzweiler +++

Aber wie sinnvoll ist es überhaupt, noch ein Dorf wegzubaggern, wenn der komplette Ausstieg aus der Braunkohle schon für 2038 beschlossen ist? NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hält das für notwendig. „Wir haben uns – anders als andere Industrienationen – dazu entschieden nächstes Jahr komplett aus der Atomenergie auszusteigen. Es gibt eigentlich kein anderes Industrieland der Welt, das das tut. Das setzt aber voraus, dass wir in anderer Weise eine gesicherte (Energie-)Versorgung haben.“ Denn, so der FDP-Politiker, die erneuerbaren Energien seien noch nicht so weit, um die Kohle vollständig ersetzen zu können.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Greenpeace will erneuerbare Energien im Tagebau

Ganz anderer Meinung ist da Christoph Rasch, Pressesprecher des Ökostrom-Lieferanten Greenpeace Energy. Er und sein Arbeitgeber setzen darauf, dass das Areal, das heute noch zum Braunkohleabbau genutzt wird, auch für Öko-Strom genutzt werden könnte.

+++ Mit Veto-Recht bei allen Gesetzesvorhaben – Grüne planen Klima-Superministerium +++

„Wir haben vor einigen Jahren eine Studie gemacht, in der wir uns das ganze rheinische Revier angesehen haben und geschaut haben, was man dort an erneuerbaren Energien realisieren könnte. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dort bis zu acht Gigawatt Strom produziert werden könnten“, so Rasch. Diese Menge an Strom würde nach heutigem Stand etwa immerhin einem Viertel dessen entsprechen, was Kohlekraftwerke aktuell noch produzieren.

Laschets Klimaschutz behindert Ausbau von Öko-Strom

Greenpeace Energy setzt sich in Keyenberg dafür ein, dass möglichst viele Einwohner Photovoltaikanlagen auf ihre Dächer montieren und das Dorf so klimaneutral werden konnte. Trotzdem droht dem Dorf die Zerstörung. Wie passt das zu einer Partei und einem Kanzlerkandidaten, die sich als Klimapartei rühmen? Erst kurz nach der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz hatte Armin Laschet noch betont, sein Land sei eines der Länder, das am meisten gegen den Klimawandel tue und auch NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart brüstet sich im RTL-Interview damit, dass NRW als erstes Bundesland ein neues Klimagesetz eingeführt habe.

LESETIPP: Die Parteien im Bundestagswahl-Check – Kriegen wir so das Klima in den Griff?

Tatsächlich gibt es dieses neue Klimaschutzgesetz, das bis 2045 Klimaneutralität vorsieht. Wie genau die erreicht werden soll, da bleibt die NRW-Landesregierung um CDU-Kanzlerkandidat Laschet allerdings sehr vage. Mehr noch: Was den Ausbau von Öko-Strom angeht, hält sich Laschet ebenso bedeckt. So dürfen Windkraftanlagen beispielsweise nur maximal 1.000 km an Wohngebiete heranreichen, was im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen den Bau von Windparks quasi unmöglich macht.

26.06.2020, Nordrhein-Westfalen, Keyenberg: Im Tagebau Garzweiler sind Aktivisten von «Ende Gelände» eingedrungen und besetzen einen Braunkohle-Bagger. Foto: David Young/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Klima-Aktivisten besetzen Bagger im Tagebau Garzweiler
dy kay, dpa, David Young

Menschenkette gegen Braunkohle

Doch auch ohne große Windparks könnte das Klimaschutz-Projekt Keyenberg bald Schule machen. Das zumindest hofft Greenpeace Energy. „Dafür brauchen wir allerdings die Politik, die die nötigen Rahmenbedingungen schafft“, sagt Greenpeace-Sprecher Christoph Rasch.

Gemeinsam mit den verbliebenen Einwohnern von Keyenberg wollen sie deshalb für den Verbleib des Dorfes kämpfen. Am Samstag ist deshalb eine vier Kilometer lange Menschenkette zwischen den Lützrath und Keyenberg geplant. Sie soll symbolisch für die Grenze bilden, bis wohin noch maximal Braunkohle gefördert werden darf, um das Klimaziel auf 1,5 Grad Erderwärmung zu begrenzen. Denn nach Berechnungen des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dürfen im angrenzenden Tagebau Garzweiler nur noch rund 70 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden, um das Klimalimit einzuhalten.