Mediziner bewertet die Änderungen
Lauterbach kippt Quarantänepflicht – sinnvoll oder Wahnsinn?

Wenn Sie in wenigen Wochen Corona-Symptome haben oder sogar infiziert sind, gilt für Sie keine Quarantänepflicht mehr. Denn: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die bisher eher strengere Regelung zur Eindämmung des Virus gekippt. Ab dem 1. Mai gilt nur noch eine „dringende Empfehlung“, sich für fünf Tage in Isolation zu geben. Es ist also mehr oder weniger freiwillig. Macht das Sinn? Oder stürzt uns diese Lockerung in totales Chaos? Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht schätzt die Lage ein.
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Dr. Specht: "Totalveränderung" hätte man anders handhaben können

Das Ende der Quarantänepflicht ist nur eine von vielen Corona-Lockerungen, die beschlossene Sache sind und mittlerweile gelten. Auch das Tragen der Maske wird nicht mehr so streng bewertet, 2G+ oder Ähnliches gehören der Vergangenheit an. Trotz allem ist die Corona-Pandemie noch nicht vorbei: Noch immer sind die 7-Tage-Inzidenz und die Zahl der Neuinfektionen hoch.
Aber: Mit dem Ende der Quarantänepflicht sollen vor allem die Personalausfälle bei hohen Infektionszahlen aufgefangen und vermieden werden. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob eine mehr oder weniger freiwillige Empfehlung, sich bei Infektion in Isolation zu begeben, wirklich sinnvoll ist. Dr. Christoph Specht sagt dazu im RTL-Interview: „Dass etwas geändert werden musste, war eigentlich klar.“ Dass es am 1. Mai zu einer solchen „Totalveränderung“ komme und die Quarantäne und Isolation pflichtgemäß weggelassen werden dürfe, „kann man machen, aber man hätte es auch anders organisieren können.“
"Das Virus verliert nicht am 1. Mai seinen Schrecken, den es am 30. April noch hatte"
Damit ist gemeint: „Man hätte die Zeiten, wie lange man sich bei einer Infektion mit dem Virus in Quarantäne begeben soll, schon vorher Schritt für Schritt verändern können. Zum Beispiel hätte ich mir bei tatsächlich bei einem symptomatisch Erkrankten vorstellen können, dass weiterhin eine Isolationspflicht besteht. Aber ich hätte früher daran geschraubt, dass etwa jeder, der positiv getestet wird, aber symptomfrei ist, nicht so lange in Quarantäne gemusst hätte.“ Anstatt einer „Hauruck-Variante“, wie wir sie jetzt haben, hätte er eine Art Stufenmodell besser gefunden.
Dass „so massiv der Schalter umgelegt wird und alles quasi von 0 auf 100 passiert“, sorge allerdings für Verunsicherung in der Bevölkerung. Denn: „Der ein oder andere stellt sich vermutlich jetzt die Frage, wie es sein kann, dass vor zwei, drei Wochen noch alles so gefährlich war, und im Mai dann plötzlich viele Maßnahmen einfach so wegfallen und alles gut erscheint. Das Virus verliert nicht am 1. Mai seinen Schrecken, den es am 30. April noch hatte.“
Aber: Im Mai wird "nichts Schlimmes passieren"
Dennoch sieht er den Lockerungen der Quarantänepflicht recht gelassen entgegen. „Wir wissen nicht genau, wie die Infektionslage im Mai aussehen wird, aber erwartungsgemäß werden die Zahlen niedriger sein, andere Virus-Varianten werden ebenfalls nicht erwartet.“ Omikron, so Dr. Specht, spiele zwar weiterhin eine Rolle, aber „es wird nichts Schlimmes passieren.“
Als Grund dafür führt der Mediziner vor allem die „vielen natürlichen Infektionen“ an. „Bis Mai werden sich wieder viele Menschen infiziert haben – was gut ist! Denn: Ob wir wollen oder nicht, wir brauchen diese natürlichen, echten Infektionen, um unsere Immunitätslage zu verbessern. Über die Impfung wäre es noch besser, aber das erreichen wir aktuell einfach nicht.“
Wie es im Herbst weitergehen sollte
Ein totales Chaos stehe uns also eher nicht bevor. Was laut dem Medizinjournalisten wichtig wäre, sei eine bessere Übersicht der Lage: „Wir bräuchten eigentlich, begleitend zur Aufhebung der Pflicht und vor allem in Vorbereitung der Maßnahmen im Herbst, eine Übersicht über die aktuelle Immunitätslage der Bevölkerung. Das gibt’s hier bei uns in Deutschland noch gar nicht.“ Dr. Specht erklärt, dass man in England beispielsweise anhand solcher Daten gesehen habe, wie gut die Ergebnisse seien: „Die haben dort – in den verschiedenen Bevölkerungs- beziehungsweise Altersgruppen – eine Immunitätslage zwischen 97 und 100 Prozent! Da geht so gut wie keiner in die nächste Saison, ohne Kontakt mit dem Virus zu haben. Das wäre bei uns auch gut.“
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