„Größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt“
Auffällig viele Arbeitsunfälle in Teslas deutscher Fabrik

247-mal musste ein Rettungswagen kommen.
In der Fabrik des amerikanischen Autobauers Tesla im brandenburgischen Grünheide ereignen sich auffallend viele Arbeitsunfälle, darunter schwere und schwerste. Das berichtet der stern in seiner aktuellen Ausgabe (Ausg. 28.9.2023) unter Berufung auf bisher unbekannte Dokumente von Behörden und Rettungsdiensten.
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50 Kilogramm schwere Holzkiste fiel Tesla-Mitarbeiter auf den Kopf
Nach den Stern-Recherchen geht aus einer Aktennotiz des Landesamts für Arbeitsschutz hervor, dass auf dem Werksgelände über einen längeren Zeitraum fast täglich Unfälle passierten. Allein zwischen Juni und November 2022 gab Tesla selbst demnach mindestens 190 meldepflichtige Unfälle an. In Deutschland sind alle Arbeitsunfälle meldepflichtig, nach denen Arbeitnehmer mindestens drei Tage arbeitsunfähig sind.
Wie der stern weiter berichtet, dokumentieren Unterlagen der Rettungsstellen zudem, dass Musks Fabrik im ersten Jahr nach der Eröffnung 247-mal einen Rettungswagen oder Hubschrauber anforderte. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet, seien dies – in ähnlichem Zeitraum – dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise in Audis Werk in Ingolstadt.
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Die Rettungsberichte zeigen unter anderem, dass einem Mitarbeiter aus mehreren Meter Höhe eine 50 Kilogramm schwere Holzkiste auf den Kopf fiel oder ein Mitarbeiter in einen Dosierofen mit glühend heißem Aluminium mit dem Fuß einbrach. Zudem hätten die Retter Verletzungen durch Verbrennungen, Salzsäure oder amputierte Gliedmaßen aufgelistet.
Arbeitsminister Heil ist "tief besorgt" über die Arbeitsunfälle bei Tesla

„Arbeitsschutz schützt in Deutschland im Zweifelsfall auch Leben und deshalb bin ich tief besorgt über die Nachrichten, die da über ein großes Unternehmen in die Öffentlichkeit gekommen sind“, sagt Hubertus Heil (SPD) im RTL/ntv-Interview.
Der Arbeitsminister stellt auch klar: „Ich erwarte von den zuständigen Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer, dass konsequent kontrolliert wird, um Gesundheit und Leben zu schützen.“ Und einen Sonderbonus gebe es aus seiner Sicht, auch für Tesla nicht. „Diese Regeln gelten in Deutschland übrigens für alle Unternehmen, für große Konzerne und für kleine Unternehmen und jeder hat sich daran zu halten. Wer hier in Deutschland Gewinne macht, muss sich an deutsches Recht und Gesetz halten, das gilt für den Arbeitsschutz, das gilt auch für andere Arbeitnehmerrechte“.
Mehr zu Tesla in "stern Investigativ" - am 28. September um 22:35 bei RTL und RTL+
Der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze, sagte dem stern: „Diese Häufigkeit an Arbeitsunfällen ist nicht normal“. Es handele sich vielmehr um ein Mehrfaches dessen, was in anderen Automobilfirmen üblich sei. „Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt.“
Tesla selbst äußerte sich dem Bericht zufolge weder zu den Dokumenten noch zu Vorwürfen von Mitarbeitern und Arbeitsrechtlern.
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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dem Magazin, dass im Werk fast jeden Tag Unfälle passierten, sei ihm „nicht unbekannt“. Er sei aber „nicht der Sprecher von Tesla“.
Mehr zu Tesla: Am Donnerstag, 28. September, um 22:35 Uhr startet bei RTL das neue Fernsehmagazin „stern Investigativ“. Am gleichen Abend präsentiert stern erstmals den seriellen „stern Investigativ“-Podcast, zuerst auf stern.de und der App RTL+ , später überall, wo es Podcasts gibt.