Corona-Krise treibt verarmte Mütter zu Verzweiflungstaten
Acht ausgesetzte Neugeborene in sechs Wochen! Das Leid der Babys in Kapstadt
Es ist eine Zahl, die einen aufhorchen lässt: Acht Babys wurden innerhalb der letzten sechs Wochen in Kapstadt ausgesetzt. Eins der Neugeborenen wurde tot in eine Plastiktüte gewickelt in einem Mülleimer gefunden, ein weiteres lag tot am Straßenrand. Andere Babys hatten mehr Glück und wurden lebend gefunden. Die Polizei der südafrikanischen Hauptstadt hat nun auch Fotos der Kinder veröffentlicht und bittet um Hilfe bei der Suche nach den Müttern. Aber warum versuchen gerade so viele Frauen, ihre Neugeborenen loszuwerden? RTL-Korrespondentin Nicole Macheroux-Denault hat sich bei den Experten vor Ort erkundigt.
Sind die Ausgesetzten Babys eine Folge des Corona-Lockdowns?
Lucinda Evans, Frauenrechtlerin und Gründerin der Organisation „Philisa Abafazi Bethu“, ist sich sicher, dass das mit Corona zusammenhängt. Die Menschen seien aufgebracht, dass immer mehr Mütter ihre Babys sich selbst überlassen und verschwinden. Doch die Frauenrechtlerin fragt sich: „Haben wir die ungewollten Auswirkungen der Corona Pandemie bedacht? Sind wir uns bewusst welche Auswirkungen der lange Lockdown auf die Sicherheit von Frauen in Südafrika hat?“
Denn gerade für Frauen und Mädchen in den ärmeren Viertel der Stadt spitzt sich die Situation offenbar zu. Allein in den vergangenen drei Monaten registrierte die Polizei 12.000 Sexualstraftaten. Rund die Hälfte davon passierte zu Hause, wo die Betroffenen den Tätern durch den Lockdown hilflos ausgeliefert waren. Auch die Zahl der Teenagerschwangerschaften ist im letzten Jahr massiv gestiegen, wie RTL-Korrespondentin Nicole Macheroux-Denault aus Südafrika berichtet. 35.000 Jugendliche haben dort im letzten Jahr ein Baby zur Welt gebracht. Etwa 700 davon waren gerade mal zwölf Jahre alt. Und sogar Mädchen im Alter von nur zehn Jahren seien Mütter geworden.

Sozialdienste in Kapstadt sind überlastet, Safehouses sind voll
Offenbar wissen sich einige Mütter nicht anderes zu helfen, als ihr Kind irgendwo an einem öffentlichen Ort auszusetzen und zu hoffen, dass es gefunden und von anderen Menschen großgezogen wird. „Wer die Mütter dafür verurteilt, versteht die Gesamt-Lage nicht“, meint Sozialarbeiterin Mpumi Sampies. „Diese Frauen sind in Not und nicht fähig, klare Gedanken zu fassen. Sie wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen.“
Denn für Menschen, die ihre Kinder nicht allein durchbringen können, gibt es wenig andere Optionen. „Die staatlichen Sozialdienste sind völlig überlastet“, weiß Tahiyya Hassim von der Organisation „New BeginningZ“, die sich um ausgesetzte und misshandelte Babys kümmert. Sie erzählt im RTL-Interview, es gäbe einfach zu viele Mütter in problematischer Lage. Hassim und ihr Team betreiben drei sogenannte Safehouses für Säuglinge und Kleinkinder. Aktuell sind alle Plätze belegt. Es ist also wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Mutter in Kapstadt die schwere Entscheidung trifft, ihr Baby an einer Straße abzulegen und zu gehen. (jgr)