„Ich hatte meinen ersten Anfall mit 16”

Olympia-Held Severin Freund macht tückische Krankheit öffentlich

ARCHIV - 12.03.2022, Norwegen, Vikersund: Ski nordisch, Skispringen, Weltmeisterschaft, WM, Skifliegen, Durchgang 4: Severin Freund aus Deutschland nach seinem Sprung. (zu dpa: "Früherer Skisprung-Gesamtweltcupsieger Freund hört auf") Foto: Daniel Kopatsch/Fa/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Severin Freund beendete 2022 seine Karriere.
daniel kopatsch exa, dpa, Fa

Er springt über seinen Schatten!
Vor zwei Jahren beendete Ex-Skisprung-Star Severin Freund (36) seine aktive Karriere. Inzwischen begleitet er den Weltcup als TV-Experte. Exakt zehn Jahre sind es her, dass der Bayer bei den Olympischen Spielen Gold gewann. Was niemand wusste: Freund springt in seiner aktiven Karriere nicht nur um Medaillen, sondern kämpft bis heute gegen Epilepsie.

Severin Freund: „Meinen ersten Anfall hatte ich 2004”

Im Interview mit der Welt spricht er nun erstmals über die Krankheit. „Ich hatte meinen ersten Anfall im Sommer 2004, nachts, mit 16 Jahren.” Seine Eltern und Brüder kriegen alles genau mit, können sich aber nicht erklären, was plötzlich los ist. Da gerade Volksfest ist, besteht durch den Hausarzt zunächst der Verdacht auf Intoxikation. „Als ich dann wieder klar war und antworten konnte, hat man mir zum Glück geglaubt.”

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Ein Gefühl des Verlorenseins macht sich in ihm breit. Und die große Frage: Kann ich weiter Skispringen? Freund: „Meine größte Angst war, dass mir der Sport genommen wird. Die Überlegungen und Gefahren, die mit der Diagnose Epilepsie zusammenhängen, waren sehr abstrakt für mich. Aber die Gefahr, nicht mehr Skispringen zu können, war ganz nah. Das wäre für mich der Supergau gewesen.“

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Ein Supergau, zu dem es glücklicherweise nicht kommt! Obwohl er rückblickend und auch als Papa darüber anders denkt. Angst, dass auf der Schanze etwas passiert, hatte er so wohl nicht. Er erklärt weiter: „Es kann sein, dass es den Moment gab, aber übrig geblieben ist in der Retrospektive die wahnsinnig große Freude, wieder und weiter springen zu dürfen. Das hat alles überlagert.“

Fakt ist aber auch: Er hat die Krankheit bisher nicht besiegt. In einem Rhythmus von sechs bis 24 Monaten hat er ein bis zwei Anfälle, die nachts passieren. Freund: „Es gibt verschiedene Phasen im Leben, in denen sich etwas verändert. Ich setze mich demnächst damit noch mehr auseinander. Vielleicht habe ich auch immer eine gesunde Naivität gehabt im Umgang mit dem Ganzen. Aber vielleicht brauchst du die auch, sodass ich mir denke: Ich hab’s bis hierhin geschafft. Also wird’s schon gut gehen.“ Seine Frau habe inzwischen die Beobachtung gemacht, dass er ruhiger und schneller aus dem Anfall komme.

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Severin Freund ist ein Familienmensch

Zwei Jahre ist sein Karriereende her. Beruflich ist er nach wie vor für vieles offen. Die Türe zum Sport will er keineswegs verschließen, doch momentan überwiegt bei ihm neben seiner Expertentätigkeit die Paparolle. „In den letzten zwei Jahren war ich sehr viel für die Familie da. Während Johannas ersten Lebensjahren – heute ist sie sechs – war es anders. Da war ich aktiv und meine Frau hat sehr viel aufgefangen. Deswegen ist es gut, wenn es jetzt bei unserem einjährigen Sohn andersherum laufen darf“, sagt er.

„Ich bin ein sehr glücklicher und dankbarer Mensch.” (tli)