„Meine Seele ist mit der Praxis verbrannt”Hebammenpraxis von Janette Harazin (48) geht in Flammen auf – und damit auch ihre Existenz

Erinnerungen an hunderte verstorbene Kinder sind dahin.
Janette Harazin kann es immer noch nicht glauben, immer wieder schießen ihr beim Gedanken an das, was sie verloren hat, Tränen in die Augen. Die Hebammenpraxis im Herzen von Hamburg-Volksdorf war nicht nur das Lebenswerk der 48-Jährigen, sondern auch ein ganz besonderer Rückzugsort für werdende und trauernde Mütter – jetzt gleicht sie nur noch Schutt und Asche.
„Meine Existenz steckt da drin, meine ganze Leidenschaft, mein Leben”

In der Nacht zu Sonntag (3. November) wird Janette Harazin vom Klingeln ihres Telefons geweckt. Gleich mehrfach versucht die Feuerwehr die Medizinerin zu erreichen. Als sie endlich rangeht, der Schock: Ihre Praxis steht in Flammen, teilen ihr die Einsatzkräfte mit. Wie in Trance macht sie sich auf dem Weg zu ihrem zweiten Zuhause: „Ich war zwar vor Ort, aber irgendwie auch nicht anwesend. Ich habe am ganzen Körper gezittert”, erzählt die 48-Jährige im Gespräch mit RTL.
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Die Brandursache wird noch ermittelt. Auch Tage nachdem sie die Zerstörung ihres Lebenswerkes mit ansehen musste, fällt es ihr immer noch schwer alles zu realisieren. „Meine Existenz steckt da drin, meine ganze Leidenschaft, mein Leben”, erklärt Harazin im Gespräch mit RTL weiter.
Emotional wird die Hebamme vor allem bei dem Gedanken an die Erinnerungen an die sogenannten Sternenkinder der Praxis, die in den Flammen zerstört wurden. Für jedes verstorbene Kind, dessen Familie Harazin die letzten Jahre begleitet hat, hat sie einen gelben Stern aus Papier aufgehängt. Diese Erinnerung kann ihr jetzt niemand mehr zurückgeben. „Ich bin mit Familien gewachsen, wir haben zusammen gelacht und auch viel geweint”, erzählt sie liebevoll von ihrer Arbeit als Hebamme.
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„Volksdorf brauchte einen guten Ort zum Stillen”

Harazin gründet ihre Praxis 2013, erfüllt sich damit einen Traum: „Volksdorf brauchte einen guten Ort zum Stillen.” Aus dieser anfänglichen Idee wurde ein diverses Angebot an Kursen rund um das Thema Geburt, Schwangerschaftsbetreuungen und Trauerbegleitungen. „Das ist nicht nur ein Job. Wir sind eine große Familie”, so die Hebamme. Deshalb macht ihr auch die Angst ihrer Mitarbeiter, bald ohne Job dazustehen, schwer zu schaffen.
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Um ihre große Familie nicht aufzugeben, sucht die 48-Jährige jetzt nach neuen dauerhaften Räumlichkeiten für ihre Praxis – aktuell findet die Betreuung der Patientinnen im jeweiligen Zuhause statt. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Menschen sammeln online Spenden für Harazin
Die Existenz von Janette Harazin steht auf der Kippe, denn sie hat sich falsch versichert. Weil sie keine Innenraum- und Inventarversicherung abgeschlossen hat, bekommt sie im schlimmsten Fall keinen Cent von der Versicherung.
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Deshalb starten Menschen, die von ihrer Geschichte gehört haben, eine Spendenaktion auf gofundme. Die 48-Jährige weiß nicht, wie viel Geld bisher zusammen gekommen ist und möchte das auch nicht wissen. Trotzdem ist sie schon jetzt sehr dankbar: „Ich freue mich riesig über die hohe Anteilnahme”, so die Hebamme. Denn damit bekommt sie wirklich eine realistische Chance, ihr Lebenswerk Schritt für Schritt wieder neu aufzubauen.