Bundesinstitut warnt vor Ashwagandha„Mir war alles egal“ – TikTok-Hype um umstrittene Schlafbeere

Wer auf TikTok unterwegs ist, hat es vermutlich schonmal gehört: Ashwagandha.
Mehr Testosteron, schnellere und bessere Erfolge beim Sport, besserer Schlaf, innere Ruhe: Das soll angeblich alles mit den Schalfbeeren möglich sein. Mitunter heißt es freudig: „Dank Ashwagandha ist mir alles egal.“ Doch was ist wirklich wissenschaftlich belegt? Und warum warnt aktuell sogar das Bundesinstitut für Risikobewertung vor dem Produkt? Was ihr über das umstrittene Wundermittel wissen solltet.
Was ist Ashwagandha?
„Ashwaganda ist ein Kraut, das schon Ewigkeiten in der indischen Heilkunst benutzt wird.” So heißt es zum Beispiel in einem Video auf TikTok, das 220.000 Aufrufe hat. Tatsächlich ist die Wurzel Ashwagandha vor allem aus der ayurvedischen Medizin bekannt. Im Deutschen wird Ashwagandha auch als Schlafbeere, indischer Ginseng oder Winterkirsche bezeichnet.
Egal, unter welcher Bezeichnung, Fakt ist: Seit Monaten boomen Produkte mit dem Inhaltsstoff. Im Internet, aber auch in Drogerien finden sich Pulver, Kapseln oder Tee mit Ashwagandha. Die Nachfrage kommt auch durch Werbung, die in den sozialen Netzwerken gemacht wird. Auf TikTok gibt es Videos mit Millionen Aufrufen, in denen für Ashwagandha geworben wird. Doch warum?
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War bringt es, Ashwagandha zu nehmen?
Einige Creator sprechen davon, dass sich die sportliche Leistung steigert. So erzählt etwa auf TikTok der Online-Coach Lennart Felix Kleber: „Es gibt Studien, die zeigen, dass Ashwagandha Kraft, Muskelmasse und Testosteron erhöht.“
Für andere hingegen steht im Fokus, dass man durch den indischen Ginseng emotionsloser wird. Eine Nebenwirkung, die für viele scheinbar ein besonders erstrebenswertes Ziel ist. „Als ich Ashwagandha genommen habe, war mir alles egal. (...) Aber seit ich es abgesetzt habe, kann ich nur noch weinen, weinen, weinen“, erzählt Mia Anastasia unter Tränen in einem TikTok-Video, das mehr als acht Millionen Aufrufe hat. In den Kommentaren schreibt ein weiterer Fan: „Ich liebe Ashwagandha, es hat mir nach der Trennung meiner dreijährigen Beziehung geholfen. Am ersten Tag habe ich noch geweint, aber danach war es mir einfach egal.“
„Ashwagandha ist das krasseste Zeug, was ihr nehmen könnt, um zu chillen. Mich juckt gar nichts mehr!“, berichtet auch Meys auf ihrem Kanal „lovelymeysss“. „Bevor ich Ashwa genommen habe, (...) habe ich alles persönlich genommen. Hätte ein Kind vor mir geheult, ich hätte mitgeheult.“ Seit der Einnahme eines Ashwagandha-Produkts, das sie im Internet bestellt habe, sei das aber Geschichte.
Auch in anderen Videos und vonseiten der Hersteller werden die Schlafbeeren gezielt bei Prüfungsangst, Schlafproblemen oder Nervosität empfohlen. Nur: Wissenschaftlich ausreichend belegt ist das alles nicht.
Darauf weisen zwar einige Creator auch hin. So sagt etwa Lennart Felix Kleber, man könne „nicht sagen, dass es mit absoluter Sicherheit bei wirklich jedem der Fall sein wird.” Aber seiner Meinung nach sei es „einen Versuch wert“.
Wirklich? Nein. Denn für bestimmte Personengruppen bergen die Schlafbeeren tatsächlich gesundheitliche Risiken.
Nebenwirkungen von Ashwagandha
So berichtet etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf Basis mehrerer Studien von folgenden akuten Nebenwirkungen bei Menschen, die Ashwagandha genommen haben:
Beschwerden des Verdauungstraktes wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall
Benommenheit
Kopfschmerzen
Schwindel
Schläfrigkeit
Hautausschläge
Zudem gebe es Hinweise darauf, dass die Präparate langfristig das Immunsystem, den Blutzuckerspiegel, die Sexualhormone, das Zentralnervensystem, die Schilddrüsen-, Nebennieren- und die Leberfunktion beeinflussen können. Beunruhigend: Es gibt sogar Fälle von akutem Leberversagen. Auch in den Kommentaren auf TikTok berichten immer wieder Menschen von extremer Müdigkeit, Herzproblemen und depressiven Verstimmungen.
Es gibt zudem Hinweise darauf, dass es Wechselwirkungen von Ashwagandha-Präparaten mit anderen Medikamenten gibt –darunter unter anderem Medikamente bei Diabetes, Blutdrucksenker und Immunsuppressiva.
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Diese Menschen sollten auf keinen Fall die Schlafbeeren nehmen
Präzise Aussagen zu den gesundheitlichen Risiken gibt es aktuell zwar aufgrund der zu dünnen Datenlage nicht. Aber gerade deswegen sollten einige Personengruppen in jedem Fall die Finger von Ashwagandha lassen! Das BfR nennt insbesondere Kinder, Schwangere, Stillende sowie Personen mit einer bestehenden oder früheren Erkrankung der Leber.
Es werde aber „auch anderen Teilen der Allgemeinbevölkerung Zurückhaltung bei der Einnahme dieser Mittel“ empfohlen. Der Grund: Oft wisse man schlicht nicht, wie viel der Schlafbeere überhaupt in dem Produkt ist, das man einnehmen möchte.
Bisherige Untersuchungen hätten nämlich gezeigt, dass der Gehalt sich stark unterscheide. Das läge daran, dass mal die Wurzel und mal die Blätter verwendet würden und es unterschiedliche Extraktionsverfahren gäbe. Das beeinflusst natürlich die Wirkung der Präparate.
Wie werden Produkte mit Ashwagandha kontrolliert?
Aber wie kann es sein, dass solche Produkte überhaupt auf dem Markt sind? Müssten die nicht genau überprüft werden?
Das liegt daran, dass Ashwagandha ein sogenanntes „Botanical” ist. Dabei handelt es sich laut Verbraucherservice Bayern um Nahrungsergänzungsmittel, die aufgrund ihrer Aufmachung gezielt den Anschein erwecken, sie seien pflanzliche Arzneimittel (Phytopharmaka).
Das Problem: Phytopharmaka durchlaufen behördlichen Zulassungsverfahren. Sie sind also für Verbraucher sicher. „Botanicals“ hingegen nicht, da sie rechtlich als Lebensmittel gelten. Ihre Wirksamkeit und Sicherheit muss nicht wissenschaftlich belegt sein. Zwar werden auch sie überprüft – aber, laut Bfr, „nur stichprobenartig, nachdem sie bereits auf dem Markt sind“.
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Fazit? Wer einen der vermeintlichen Effekte von Ashwagandha wünscht, sollte mit seinem Hausarzt sprechen – und ein Produkt wählen, das wirklich nachweislich sicher ist.