Unglaubliche Gabe
Diese Frau kann Parkinson riechen!

„Du riechst so komisch.”
Als Joy Milne aus Schottland das zu ihrem Mann sagte, war er verständlicherweise nicht gerade begeistert. Doch der neue Geruch hatte einen Grund: Er war an Parkinson erkrankt – und seine Frau konnte das erschnüffeln, lange bevor es die Ärzte diagnostizierten. Eine Gabe, die auch der Medizin hilft.
„Als ich ihr näher gekommen bin, wusste ich genau: Sie hat Parkinson”
Was hinter Joy Milnes sensibler Nase steckt, ist Hyperosmie, eine Überempfindlichkeit des Geruchssinns. Ihre Gabe, die Nervenkrankheit Parkinson frühzeitig riechen zu können, bedeutet für Joy auch immer eine große Überwindung: Immer wieder steht sie vor der Situation, Menschen zu sagen, dass sie schwer krank sind.
„Ich habe neulich eine Frau getroffen, die mir erzählt hat, dass sie ständig gesundheitliche Probleme hat. Und als ich ihr näher gekommen bin, wusste ich genau: Sie hat Parkinson”, berichtet Joy bereits vor einigen Jahren im Interview mit BBC.
Dass sie diesen ganz besonderen Geruchssinn besitzt, bemerkt Joy anfangs erst schleichend bei ihrem eigenen Mann Les – erst ab und zu, dann immer häufiger: „Es war ein völlig neuer Geruch, den ich an ihm überhaupt nicht kannte und auch noch nie an ihm gerochen habe. Irgendwann habe ich dann auch zu ihm gesagt, du riechst so komisch. Aber man sagt sowas ja nicht unbedingt zu anderen. Und als ich gemerkt habe, dass er dadurch auch echt traurig wurde, habe ich lieber nichts mehr gesagt.”
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„Die Leute hier riechen genauso wie du”
Einige Zeit später wird bei Joys Mann Parkinson diagnostiziert. Als sie gemeinsam mit ihm zu einem Treffen mit anderen Betroffen geht, macht sie eine erstaunliche Entdeckung: „Als wir dort ankamen, habe ich zu meinem Mann gesagt: ‘Die Leute hier riechen genauso wie du.’ Er fragte, was ich damit meine. Also habe ich nochmal wiederholt: Alle Menschen hier im Raum, die Parkinson haben, riechen wie du.”
Auch als Joy das nochmal überprüft und etwas näher an jeden einzelnen Teilnehmer herantritt, wird ihre Wahrnehmung bestätigt: „Dieser Geruch war definitiv da!“
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Joy lässt ihre Fähigkeit testen
Joys Mann Les, mit dem sie 42 Jahre verheiratet war, überlebt die Krankheit nicht. Doch gerade deshalb will die Krankenschwester mehr über ihre Gabe erfahren, und so anderen Menschen helfen. In einem wissenschaftlichen Test lässt sie prüfen, ob sie tatsächlich Parkinson riechen kann: Dabei bekommt sie zwölf T-Shirts, von denen die Hälfte von Parkinson-Patienten getragen wurde. Joy identifiziert sie alle richtig – und wählt auch ein T-Shirt aus der Gruppe der Nicht-Erkrankten aus.
„Der Mann, der das Shirt getragen hatte, rief kurze Zeit später an und sagte: Bei mir wurde gerade Parkinson diagnostiziert. Das hat alles verändert.”
Joys Fähigkeit soll Medizin helfen
Mit Joys Hilfe können Wissenschaftler schließlich bestimmen, was genau sie da riecht: Es sind drei charakteristische Moleküle in der Haut, die offenbar für den moschusartigen Geruch verantwortlich sind. Der große Vorteil von Joys Fähigkeit: Sie erkennt die Krankheit lange vor der Medizin. Bisher wird Parkinson nämlich meist erst nach motorischen Ausfällen wie Zittern diagnostiziert. Im Gehirn sind dann aber meist schon 50 bis 60 Prozent der Nervenzellen geschädigt.
Eine britische Firma will nun einen Test entwickeln, der Abstriche von der Haut nutzt, um Parkinson zu diagnostizieren. Für Joy könnte so ein Herzenswunsch in Erfüllung gehen – wenn Parkinson-Patienten in Zukunft frühzeitig besser behandelt werden können. (akr)