Alleinerziehende Mutter weiß nicht weiter„Jeder Tag besteht aus Tränen und Verzweiflung” - eine Blasenentzündung zerstörte das Leben von Nadine (31)

„Alleine wegen meiner Tochter bricht mein Herz täglich.“
Als Nadine wegen einer Blasenentzündung zum Arzt geht, wird ihr Ciprofloxacin verschrieben, ein sogenanntes Fluorchinolon-Antibiotikum. Es kommt zu schweren Nebenwirkungen, die ihr Leben zerstören. Heute ist Nadine bettlägerig. Die alleinerziehende Mutter sagt: Jeder Tag ist eine Qual.
Eine Blasenentzündung beendet Nadines unbeschwertes Leben
In ihrer Jugend war Nadine Huber Leistungssportlerin. „Ich war immer voller Energie und vor allem lebensfroh“, erzählt sie RTL. Als sie 23 Jahre alt ist, bekommt sie eine Blasenentzündung. Eigentlich eine Lappalie. „Es war die erste Blasenentzündung, die ich überhaupt hatte.”
Wie so viele Frauen geht sie irgendwann zur Ärztin, um sich ein Antibiotikum geben zu lassen. Ihr wird sieben Tage lang Ciprofloxanin 500 mg verschrieben. Nadine weiß nicht, dass es sich hierbei um ein Fluorchinolon-Antibiotikum handelt.
Das ist ein Breitbandantibiotikum, das seit den 1970er Jahren oft eingesetzt wird. „Fluorchinolone sind sehr wirksame Antibiotika, die genau deshalb oft eingesetzt wurden. Auch bei Harnwegsinfektionen wirken sie wunderbar”, erklärt Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht RTL.
Doch mittlerweile wird davon abgeraten, bei harmlosen Blasenentzündungen Ciprofloxanin zu verschreiben. Nur in schweren Fällen, wenn sonst nichts anschlägt, wird noch auf Fluorchinolon-Antibiotika zurückgegriffen. Der Grund laut Dr. Specht: „Fluorchinolone können böse Nebenwirkungen haben.”

Antibiotikum mit dem Risiko schwerer Nebenwirkungen
Das bestätigt auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die Antibiotika könnten zu „schwerwiegenden Nebenwirkungen”, die „oftmals mehrere Organsysteme, Organklassen und mehrere Sinne” betreffen, führen.
Was das genau heißt? Dr. Specht erklärt: „Besonders oft kommt es zu Muskelschmerzen und Sehnenproblemen. Reißt einem die Achillessehne, dann wird in der Regel gefragt, ob man in letzter Zeit Fluorchinolone genommen hat. Zudem können Muskelschäden, also Muskelschmerzen, auftreten. Die Nerven können betroffen sein, etwa durch Sensibilitätsstörungen oder eine periphere Neuropathie. Außerdem kann es zu Schlaflosigkeit, Depression, Ermüdung, Fatigue, einem eingeschränkten Erinnerungsvermögen und Geschmacksstörungen kommen - alles vermutlich auf die Nerven zurückzuführen.”
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Die Nebenwirkungen sind laut BfArM langanhaltend, schwerwiegend und die Lebensqualität beeinträchtigend. Das Tückische: Entweder man hat diese Symptome gar nicht - oder schon nach kurzfristiger Einnahme.
Nadines Zustand wird immer schlimmer: „Alles hat sich zersetzt”
Nadine wird wenige Wochen nach der Einnahme bewusst, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmt. „Ich hatte einen Druck auf den Augen, sah Doppelbilder”, erinnert sie sich. Die Probleme mit den Augen werden schlimmer. Zudem habe sie mehrere Vergiftungsschübe, die ihre Gesundheit immer weiter beeinträchtigen. „Sehnen, Gelenke, Muskeln, mein Bindegewebe, Kollagen - alles hat sich zersetzt.”
Den schwersten Schub gab es vor einem Jahr. Sie ist mittlerweile bettlägerig, leidet zudem nun unter Myalgischer Enzephalomyelitis und dem Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS). Beide Erkrankungen sind von ihrer Krankenkasse anerkannt. Nadine ist dauerhaft extrem erschöpft und hat starke Schmerzen, ist zu 100 Prozent als schwerbehindert eingestuft. Ein normales Leben? Unmöglich. „Jede Bewegung ist eine Qual.”
Da sie seit einem Jahr nur noch liegt, hat sie weitere körperliche Beschwerden, darunter auch Schwindel. Daneben leidet sie psychisch extrem unter der Situation.
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„Ich bin definitiv traumatisiert”
„Emotional ist das alles kaum noch zu ertragen. Jeder Tag besteht aus Tränen, Verzweiflung und purem Herzschmerz“, sagt Nadine. Sie habe ununterbrochen Sorgen. An die Zukunft möchte sie nicht denken. Am schlimmsten ist für sie, dass auch ihre elfjährige Tochter leidet. „Alleine wegen meiner Tochter bricht mein Herz täglich. Sie ist traumatisiert, so wie ich definitiv auch traumatisiert bin“, sagt Nadine.
Eigentlich möchte sie mit ihrem Kind Dinge unternehmen, Ausflüge machen, Spaß haben. „Ich würde so gerne meine Tochter aufwachsen sehen und sie begleiten, nicht nur still aus dem Bett ihr Leben an mir vorbeiziehen sehen. Ich möchte an ihrem Leben wieder teilnehmen“, klagt Nadine.
Eine letzte Hoffnung ist eine Therapie mit intravenösen Immunglobuline (IVIG). In einer Studie konnte hier bei einigen Patienten eine Verbesserung der ME/CFS-Symptome beobachtet werden. Doch aktuell wird die Therapie nicht von der Krankenkasse übernommen, die Kosten für Privatpersonen sind sehr hoch. Deshalb hat Nadine auf der Plattform „GoFundMe” einen Spendenaufruf eingerichtet.
Denn für sie steht außer Frage: Sie will es mit der Behandlung versuchen. Für sich, aber vor allem für ihre Tochter. „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als ein kleines bisschen Leben mit meinem Kind zurück.”