Studie deckt alarmierende Zahlen auf

Verabreichen wir unseren Kindern zu viele Medikamente?

Selective focus at a white pill on a tongue of small toddler baby boy.
Bremer Forschende warnen vor zu viel Breitbandantibiotika für Kleinkinder.
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Es sind erschreckende Zahlen, die ein Forschungsteam aus Bremen veröffentlicht.
Wie viele Breitbandantibiotika verschreiben Ärzte unseren Kleinkindern? Das haben Forschende für Deutschland und Dänemark untersucht und rausgefunden, dass Ärzte in Deutschland weit mehr Breitbandantibiotika verschreiben – das könnte schwerwiegende Folgen haben.
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Ärzte behandeln fast jedes zweite Kleinkind mit Breitbandantibiotika

Bei hartnäckigen, bakteriellen Krankheiten helfen nur Antibiotika. Aber müssen es wirklich gleich Breitbandantibiotika sein, die gegen viele verschiedene Bakterien helfen? Oder reichen nicht auch sogenannte Schmalspektrumantibiotika, die gezielt bestimmte Bakterien bekämpfen. Diese Frage werfen Forschende des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen auf. Das Ergebnis ihrer Studie: Rund 40 Prozent der Kleinkinder in Deutschland werden mit Breitbandantibiotika behandelt, wenn sie zum ersten Mal ambulante Antibiotika erhalten. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil in Dänemark nur sechs Prozent. „Medizinisch ist das nicht zu erklären“, sagt die Bremer Professorin Ulrike Haug im Gespräch mit der Deutschen Presse Agentur.

Ihren Erkenntnissen nach, haben beide Länder ein ähnliches Infektionsgeschehen. Warum sind die Unterschiede dann so gravierend? „Möglicherweise hat der höhere Einsatz an Breitbandantibiotika in Deutschland etwas mit Verschreibungsgewohnheiten zu tun“, sagt sie weiter. Verschreiben Deutschlands Ärzte Breitbandantibiotika bedenkenlos?

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Im Video: Fanden diese Forscher zufällig ein Antibiotikum?

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Zu oft Breitbandantibiotika – üble Folgen möglich!

Diese Praxis sei „im Hinblick auf Nebenwirkungen und Resistenzen sehr bedenklich“, sagt Oliver Scholle, der wesentlich zur Studie beigetragen hat. „Manche Infektionen können nur mit Breitspektrum-Antibiotika therapiert werden, Schmalspektrum-Antibiotika wirken da nicht. Bei vielen anderen Infektionen reichen hingegen Schmalspektrum-Antibiotika“, ergänzt Ulrike Haug. Laut Forschenden führe dieser unnötige Einsatz von Breitbandantibiotika dazu, dass Bakterienstämme mit der Zeit gegen Breitbandantibiotika resistent werden und, dass nützliche Bakterienarten vernichtet werden. Die Folge: Mehr Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich. Also Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall – bei Kleinkindern.

Eine andere Studie vergleicht Daten aus dänischen Gesundheitsregistern und von deutschen Krankenkassen. Die Bremer Forschenden beziehen das in ihre Analysen ein. Laut Oliver Scholle dauerte es im Geburtsjahrgang 2016 in Dänemark etwa 21 Monate bis zur ersten Antibiotikaverschreibung, in Deutschland dagegen etwa sieben Monate länger. Außerdem sei die Rate der Antibiotikabehandlungen in Deutschland geringer als in Dänemark. In den Jahren 2004 bis 2016 scheint der Studie zufolge das Alter bei Erstverschreibung gestiegen und die Verschreibungshäufigkeit gesunken. Den Bremer Forschenden bereitet aber der Breitbandantibiotika-Anteil große Sorgen. (dpa/slä)