Sieben Tage – mehr bekam Baby Melek nicht

Mutter (30) tötet eigene Tochter – 20 Jahre Haft

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Ein Großaufgebot der Polizei hat nach dem Baby gesucht. Schon bald ist der Tatverdacht dann auf die Mutter (30) gefallen.
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von Konrad Rampelt

Melek hatte kaum eine Chance.
Sie wurde geboren, bevor sie jemand wollte. Getötet, bevor jemand Verantwortung übernahm. Jetzt hat das Landgericht Wien ein Urteil gesprochen. Mutter Büsra T. (30) muss lange ins Gefängnis.

Eine Einkaufstüte, ein Schrei und eine folgenschwere Entscheidung

Sie nennt sie Melek – türkisch für „Engel”. Das kleine Mädchen ist gerade einmal sieben Tage alt. Früh geboren, nur 44 Zentimeter groß, rund zwei Kilo schwer.

Am 21. November 2023 verlässt Büsra T. mit ihrer Tochter die Klinik Favoriten in Wien. Das Kind, zwar zu früh geboren, ist stabil – aber nicht gewollt. Nicht in ihrer Familie, nicht in Büsra T.s Kopf und nicht in ihrem Plan vom Leben.

Büsra T. wickelt das Baby in eine Tagesdecke, steckt es in eine Einkaufstüte. Dann schreit Melek. „Ich hab’ mir nur gedacht, sie muss leise sein, sie darf nicht weinen”, sagt sie vor Gericht. Daher habe sie „versucht, sie zu erwürgen, habe es aber nicht geschafft”.

Dann wirft sie das Baby drei Mal auf den Asphalt. „Dann war sie leise. Dann wurde mir bewusst, was ich gemacht habe.”

Wie die Obduktion später ergibt, erleidet Melek ein massives Schädelhirntrauma sowie mehrfache Knochenbrüche.

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Ein Leben im Verborgenen

Büsra T. ist zum Zeitpunkt der Tat 30 Jahre alt. Die Schwangerschaft verdrängt sie, ihren Babybauch versucht sie, zu verstecken. Nur der Vater weiß davon. Die Familie hätte sie verstoßen, zumindest sagt Büsra T. das. Der Kindsvater widerspricht vor Gericht. Ein Kinderzimmer sei vorbereitet gewesen, die kleine Melek willkommen. Er selbst sei bei der Geburt dabei gewesen, kam danach täglich ins Krankenhaus. „Ich wollte die beiden abholen, dann war Melek plötzlich weg”, sagt er.

Ihre Verteidigerin Astrid Wagner, die unter anderem auch das „Amstetten-Monster” Josef Fritzl vertrat, spricht von einer „extremen Ausnahmesituation”. „Sie hat das Kind geliebt. Sie wollte es nicht hergeben”, so Wagner. „Entfesselte Gefühlsdämonen” hätten die Kontrolle übernommen.

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Anwältin Astrid Wagner (Archivfoto)
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Die Staatsanwältin sieht das anders. Laut Handyauswertung hatte Büsra T. Wochen vor der Tat nach Begrifen wie „Selbstabtreibung”, „Serbien Abtreibung Kosten” oder „Kindesentführung” gegoogelt. „Das Kind wollte sie von Anfang an nicht.” Die Tat sei geplant und gezielt gewesen.

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Am Dienstag (9. Juli) verkünden die Geschworenen ihr einstimmiges Urteil: Mord. Die Richterin spricht von der „brutalsten Form eines Verbrechens”, das Gericht sieht Melek als „völlig wehrloses Opfer.” Büsra T. wird zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Schluss sagt sie: „Es tut mir wirklich sehr leid, was passiert ist. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich alles anders machen und sie würde am Leben sein”, sagte sie ehe sie zu schluchzen begann.

Doch dafür ist es zu spät. (mit apa)