Neuer Prozess um tote Studentin startet Saß Sebastian T. 900 Tage unschuldig im Knast oder hat er Hanna doch getötet?

Was ist nach der Party-Nacht im „Eiskeller” wirklich passiert?
Sebastian T. lächelt unbeholfen, als Richterin Heike Will ihn fragt, wie es ihm geht. „Gut”, scheint er zu sagen, doch seine Stimme ist kaum zu hören. Hat er mit dem Tod der 23 Jahre alten Hanna etwas zu tun? Oder ist er unschuldig? Das soll das Gericht bis Dezember aufklären.
Erstes Urteil gegen Sebastian T. wurde aufgehoben
Der höfliche Beginn durch die Richterin ist die neue Tonalität des Gerichts in dem für Aufsehen sorgenden Prozess um den Tod der 23 Jahre alten Studentin Hanna nach einem Besuch des Musikklubs „Eiskeller” in Aschau im Chiemgau. Anders als die Richterin zieht die Verteidigung aber mit harten Bandagen in das Verfahren.
Lese-Tipp: Prozess um tote Studentin Hanna (23) wird neu aufgerollt
T. wurde in einem ersten Prozess wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil aber auf. Die Vorsitzende Richterin am Landgericht Traunstein hatte mit der Staatsanwaltschaft über eine zu erwartende Verurteilung des inzwischen 23-Jährigen geschrieben und die Verteidigung bei dem Austausch ausgeschlossen – für die Karlsruher Richter Befangenheit. T. ist mittlerweile frei – ein Gutachter zweifelt an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen, weshalb das Gericht aktuell keinen dringenden Tatverdacht sieht.
Hannas Mutter kann sich den Prozess nicht nochmal antun
Die Frage ist nun, ob T. unschuldig ist und ob der intellektuell eingeschränkte junge Mann zu Unrecht mehr als 900 Tage im Gefängnis saß. Zudem geht es darum, ob ein ärgerlicher Fehler des Gerichts im als Indizienprozess geführten ersten Verfahren unnötigerweise dazu führte, dass die Eltern von Hanna nun erneut die letzten Stunden ihrer Tochter mit durchleiden müssen.
Lese-Tipp: Schock für Familie! Eiskeller-Mord an Hanna W. muss neu verhandelt werden
Hannas Vater kommt zum Prozessauftakt, die Mutter der Medizinstudentin nicht. „Sie schafft es nicht”, sagt Familienanwalt Walter Holderle. „Den Eltern geht es tatsächlich schlecht.” Auch der Vater versuche zwar stark zu sein, der Auftakt der Wiederaufnahme gehe ihm aber sehr nahe.
Holderle sagt, natürlich gelte für T. die Unschuldsvermutung. Aber die Familie kenne auch die Beweiserhebung aus dem ersten Prozess. Diese belegt nach Auffassung der Familie eine Straftat. Oder aber es ist doch so, wie es T.s Verteidiger Yves Georg sagt: „Wir werden beweisen, dass dem Tod von Frau W. keine Straftat, sondern ein Unfall zugrunde liegt.”
Hanna (23) starb nach der Party im „Eiskeller”
Was genau in der Nacht zum 3. Oktober 2022 passierte, will das Gericht bis kurz vor Weihnachten aufklären. Unbestritten ist, dass es ein feuchtfröhlicher letzter Lebensabend für die wie T. aus Aschau stammende Hanna war. Sie feierte im Musikklub „Eiskeller”, trank reichlich Alkohol. Nachts schlug sie das Angebot von Freundinnen aus, sie mit dem Auto nach Hause zu bringen – sie wollte die wenigen hundert Meter zu Fuß nach Hause gehen.
Lese-Tipp: Zu hart: Richterin rät Eltern, nicht mehr zum Prozess zu kommen
T. wiederum soll wie schon früher häufiger nachts joggen gegangen sein. In der Version der Staatsanwaltschaft begegnete er dabei zufällig Hanna. Der sexuell unerfahrene Mann soll von Lust getrieben gewesen sein. Er soll sie mit einem Stein niedergeschlagen haben, um sich an ihr vergehen zu können. Zur Sexualtat soll es nicht gekommen sein, er soll die junge Frau aber in die Prien geworfen haben, wo sie ertrank.
Wurde die Studentin getötet oder war es ein Unfall?
Im ersten Prozess bestätigten Gutachten den Tathergang. Insbesondere, dass Hanna nur noch teilweise bekleidet war, war demnach nicht durch die Strömung des Flusses als Ursache zu erklären. Doch T.s Verteidigung zweifelt an den Gutachten, kündigt zum Prozessauftakt Gegengutachten an und eine eigene Version zum Ablauf des Tatabends. Demnach könnte Hanna auch gestolpert und in den Fluss gefallen sein.
Lese-Tipp: Täter-Eltern erheben schwere Vorwürfe: Unser Sohn ist ein Justizopfer!
Am ersten Prozesstag überziehen die Verteidiger die im ersten Verfahren zuständige Kammer und die Staatsanwaltschaft mit Vorwürfen. Es habe Voreingenommenheit gegeben, ein Unschuldiger sei zum Mörder gemacht worden, bis heute werde die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Außerdem lehnen sie Gutachter als befangen ab, die den Tatablauf als Gewalttat belegen sollen.
„Was sie hier machen, ist eine Abrechnung”, sagt die so freundlich ins Verfahren gestartete Richterin Will einmal in die Vorwürfe hinein. Es läuft alles auf einen Prozess mit sehr harten Bandagen hinaus – und auf einen im zweiten Anlauf völlig ungewissen Ausgang. (jgr, mit AFP)
Verwendete Quellen: AFP