Prozess um tödlichen Messerstich in KaiserslauternNotwehr oder Körperverletzung? 20-Jährige ersticht Mann, der sie sexuell belästigt

von Karl Wirz und Gizem Schumann

Er grabschte ihr an den Po, sie zückte das Messer!
Eine Amerikanerin (20) sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Sie soll einen Mann, der sie sexuell belästigt hat, mit einem Klappmesser erstochen haben. Der Ort des dramatischen Vorfalls: der belebte Hauptbahnhof von Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz.

Mann (64) stirbt nach Stich ins Herz

Die Überwachungskameras am Bahnhof haben den Vorfall im Juni 2024 aufgezeichnet. Sie zeigen, wie der Mann auf einer Rolltreppe der jungen Frau an den Po fasst. Sie weicht aus, schreit ihn an. Er hebt abwehrend die Hand, nähert sich aber erneut. Sie fühlt sich bedroht, zückt das Messer. Ein Stich trifft den Eritreer ins Herz. Er stirbt. Kurz darauf stellt sich die junge Frau der Polizei.

Lese-Tipp: Er fasste ihr an den Po – Frau (21) sticht Grabscher (64) ab

Am Mittwoch (26. März) startet der Prozess gegen die junge Frau. Die Staatsanwaltschaft klagt sie nach Jugendstrafrecht an. Der Vorwurf: Körperverletzung mit Todesfolge. Das mögliche Strafmaß: bis zu zehn Jahre Haft. Doch der Fall ist komplex. Die 20-Jährige behauptet, sie wollte sich nur verteidigen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Sie erkennt keinen Tötungsvorsatz, aber auch keine Notwehr.

„Das ist sicherlich ein Grenzfall, wo man sich überlegen muss: Ist das tatsächlich strafbar, weil man sagt, das war übertrieben, das war wirklich zu viel? Oder war das eben die erforderliche Verteidigung? Und genau darum wird es in dem Prozess gehen“, erklärt Rechtsanwalt Arndt Kempkens im Gespräch mit RTL.

Wie weit darf Selbstverteidigung gehen?

Das Opfer, ein deutscher Familienvater mit eritreischen Wurzeln, war bereits vorbelastet. Es gab ähnliche Vorfälle in Vergangenheit. Sein erneutes Fehlverhalten hatte diesmal tödliche Konsequenzen. Der Anwalt der Exfrau des Opfers fordert eine härtere Anklage: Totschlag.

„Wir haben hier keine Selbstjustiz“, so Rechtsanwalt Dawit Stefanos zu RTL. „Für das Grapschen hätten Sie ihn auf jeden Fall anzeigen müssen. Aber man kann ja nicht, wenn er sie gerade nicht angegriffen hat, und das ist aus den Bildern ersichtlich, kann man da nicht mehrfach ansetzen. Beim dritten Mal ist es ihr gelungen, ihn mit dem Messer zu treffen.“

Lese-Tipp: Heimlich beim Joggen gefilmt – aber Anzeige durfte Yanni nicht stellen

Anfang April wird das Urteil erwartet. Der Fall wirft auch Fragen über die angemessene Reaktion auf sexuelle Belästigung auf. Wie hätten andere junge Frauen reagiert? Wie weit darf Selbstverteidigung gehen? Der Prozess in Kaiserslautern wird nicht nur das Schicksal der jungen Amerikanerin bestimmen, sondern könnte auch weitreichende Auswirkungen auf die öffentliche Diskussion über Selbstverteidigung und sexuelle Belästigung haben.