Abgeschottet von der AußenweltAryatara (2) wird „lebende Göttin” auf Zeit

Aryatara ist gerade einmal zwei Jahre alt – und wird schon verehrt!
Denn das kleine Mädchen wird die neue Kumari Nepals, damit ist sie offiziell eine Göttin – jedoch aus Fleisch und Blut. Die Zweijährige lebt fortan in einem Palast. Sie trägt feine Kleidung, Goldarmreifen, Perlen und Schminke. Nur selten darf sie den Palast verlassen. Ihre Füße dürfen nie den Boden berühren.
Aryatara wird „lebende Göttin” – ihre Füße dürfen den Boden nicht berühren
Es ist eine jahrhundertealte Tradition in Nepal: Als Inkarnation der hinduistischen Göttin Taleju Bhawani wird die Kumari verehrt, gilt selbst als „lebende Göttin“. Schon im Kleinkindalter werden sie ernannt: Aryatara Shakya aus Kathmandu, die jetzt zur Kumari berufen wurde, ist gerade einmal zwei Jahre alt.
Als Kindgöttin lebt sie nun im historischen Kumari-Palast am Durbar-Platz, berichtet der Spiegel. Einen Kontakt zur Außenwelt hat die Kumari, zu Deutsch „Jungfrau“, kaum. Sie darf nicht mit anderen Kindern draußen spielen oder zur Schule gehen. Das Haus verlässt sie nur für religiöse Anlässe – und dabei wird sie getragen, denn ihre Füße dürfen nicht den Boden berühren.

Doch als Kumari ist sie eine Göttin auf Zeit: Nach traditionellem Glauben gilt die „göttliche Reinheit“ der Kumari nur bis zum Eintritt der ersten Menstruation oder einer schweren Verletzung, so srf. Dann verlässt die Göttin dem Glauben nach den nunmehr unreinen Körper des Kindes. Darum löst Aryatara ihre elfjährige Vorgängerin Trishna Shakya nun ab.
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Strenges Rutal bei der Suche nach der neuen Kumari
Entscheidend für die Auswahl der Kumari ist nicht nur die Herkunft aus der buddhistischen Shakya-Kaste der Newar im Kathmandu-Tal, so der Spiegel. Die Mädchen dürfen ihre Pubertät noch nicht erreicht haben und müssen eine Reihe von Merkmalen erfüllen, die als „32 Zeichen der Vollkommenheit“ beschrieben werden. Hierzu zählen unter anderem makellose Haut, ein vollständiges Gebiss, dunkle Haare und dunkle Augen. Auch Verletzungen sind ein Ausschlusskriterium: Das Mädchen darf noch nie geblutet haben, schreibt die Welt.
Außerdem erfolgt die Auswahl nach einem traditionellen Prozess samt Prüfungen und Zeremonien. Unter anderem muss das Mädchen seine Tapferkeit beweisen, indem es bei unheimlichen Ritualen ruhig bleibt und keine Angst zeigt.
„Wenn du keine Göttin mehr bist, wird erwartet, dass du rausgehst”
Der Kumari-Brauch wird weltweit kritisiert, vor allem aufgrund der Isolation, den Einschränkungen und die abrupte Rückkehr in den Alltag. Während die Kumari früher keinerlei Schulbildung erhielt, werden die Mädchen seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Nepals im Jahr 2008 im Palast unterrichtet.
Für die Mädchen sind die Verehrung und der anschließend tiefe Fall dennoch alles andere als einfach. „Du wirst wie eine Prinzessin behandelt. Aber wenn du keine Göttin mehr bist, wird erwartet, dass du rausgehst. Das normale Leben ist voller Probleme“, wird Chanira, eine ehemalige Kumari, zitiert.
Verwendete Quellen: Spiegel, srf, Welt