Mann sitzt seit 20 Jahren in der Todeszelle

Hinrichtung in letzter Sekunde gestoppt – jetzt wird Robert Roberson plötzlich angehört

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Robert Roberson sitzt seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis in Livingston
AP

Aufschub im letzten Moment!
Die Hinrichtung des verurteilten Kindermörders Robert Roberson ist kurz vor der Vollstreckung gestoppt worden. Nun soll das Urteil geprüft werden. Ist der 58-Jährige ein unschuldiges Justizopfer, kommt er am Ende nach über 20 Jahren in der Todeszelle frei?

Woran starb Robersons Tochter Nikki wirklich?

Seinen Anwälten und vielen Unterstützern zufolge gibt es erhebliche Zweifel an seiner Schuld. Roberson war 2002 wegen Mordes an seiner Tochter Nikki schuldig gesprochen worden. „Schütteltrauma“ lautete seinerzeit die Diagnose der Ärzte, die Zweijährige soll von ihrem Vater zu Tode geschüttelt worden sein.

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Todesstrafen-Gegner und Roberson-Unterstützer vor dem Gefängnis in Hunzsvillee, wo er hingerichtet werden sollte. Rechts sein Bruder Thomas
AP Photo/Michael Wyke

Diese Diagnose wird von Robersons Verteidigern in Frage gestellt. Die Gerichte hätten sich einseitig darauf verlassen, dass das Mädchen durch ein Schütteltrauma starb, andere Ursachen seien nicht ausreichend geprüft worden. Die Anwälte führen an, dass Nikki an einer falsch behandelten Lungenentzündung erkrankt gewesen sei. Sie sei ohnehin ein kränkliches Kind gewesen, heißt es in der „Washington Post“. Roberson sei in kurzer Zeit 45 Mal mit seiner Tochter bei Ärzten gewesen.

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Roberson leidet unter Autismus

In den letzten Tagen vor ihrem Tode habe das Mädchen Durchfall gehabt, sich ständig erbrochen. Die Ärzte hätten sie mit Phenergan und Codein behandelt. Diese Medikamente gelten nach heutigem Wissensstand als gefährlich und würden Kindern nicht mehr verschrieben, so Robersons Anwälte laut der Zeitung.

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Als ihr Vater Nikki zum letzten Mal ins Krankenhaus brachte, sei das Kind blau angelaufen gewesen. Während Ärzte und Krankenschwestern um das Überleben des Kindes kämpften, sei ihr Vater „kalt und gefühllos“ gewesen, so warfen Mitarbeiter der Klinik und Polizisten ihm vor. Auch das galt den Gerichten als Hinweis auf seine Schuld. Inzwischen weiß man, dass Roberson Autist ist, die Krankheit wurde 2018 diagnostiziert. Sie habe Auswirkungen darauf, wie er Emotionen ausdrücke, so seien Anwälte.

Ex-Ermittler ist heute von seiner Unschuld überzeugt

Zudem argumentieren sie, dass das sogenannte „Shaken Baby Syndrome“ in der damaligen Zeit sehr häufig diagnostiziert worden und juristisch als Todesursache bei Kindern angenommen worden sei. Dies habe sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gewandelt.

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Unterstützer beim Gespräch mit Roberson im Gefängnis in Linvingston
AP Photo/Criminal Justice Reform Caucus

Zweifel an Roberson Schuld nährt auch die Aussage eines Kriminalpolizisten, der damals in dem Fall ermittelte. „Ich habe meiner Frau letzte Woche gesagt, dass ich mich schäme. Ich schäme mich, dass ich so darauf konzentriert war, einen Täter zu finden und jemanden zu verurteilen, dass ich Robert nicht gesehen habe. Ich habe seine Stimme nicht gehört.“ Das gab der ehemalige Detective Brian Wharton laut dem US-Sender CNN bei einer Anhörung zum Fall Roberson vor den Abgeordneten des Bundesstaates Texas zu Protokoll.

Roberson war bereits im Hinrichtungs-Knast

Auch Roberson soll jetzt die Möglichkeit bekommen, von Parlamentariern angehört zu werden. Eine parteiübergreifende Gruppe von 86 texanischen Abgeordneten hatte unter Berufung auf „umfangreiche neue wissenschaftliche Beweise“ auf eine Begnadigung des Mannes gedrängt und ihn für Montag zu einer Anhörung vorgeladen.

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Aus diesem Grund hob das Oberste Gericht des Bundesstaates die ursprünglich für Donnerstag (17. Oktober) angesetzte Hinrichtung auf. „Wenn das Urteil vollstreckt wird, kann der Zeuge offensichtlich nicht zur Anhörung erscheinen“, sagte Richter Evan Young bei der Urteilsbegründung. Es fiel buchstäblich im letzten Moment – laut CNN war Roberson bereits aus seiner Zelle in Livingston in das Gefängnis in Huntsville gebracht worden, wo er hingerichtet werden sollte.

„Wir alle wissen, dass er unschuldig ist“

„Roberts Hinrichtung wäre ein Schandfleck für unser texanisches Strafrechtssystem“, sagte die republikanische Abgeordnete Lacey Hull der „Washington Post“. Sie gehört zu den vielen Menschen, die sich für die Freilassung des Mannes engagieren, weil sie ihn für unschuldig halten. Dazu zählen unter anderem Wissenschaftler, Ärzte und Prominente wie der bekannte Schriftsteller John Grisham.

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Kripo-Mann Wharton sagte CNN, er sei erleichtert gewesen, als er von der Entscheidung des Gerichts gehört habe. „Seine Frau fing an zu weinen und alle anderen holten tief Luft. Denn wir alle wissen, dass er unschuldig ist.“