Gehört hier etwa Gewalt gegen Frauen zum Fest?Fragwürdiger Brauch Klaasohm auf Borkum – Polizei zieht Konsequenzen

Mit Masken verkleidete Männer des Vereins Borkumer Jungens stürzen sich am Abend (Aufnahme vom 05.12.2011) in der Innenstadt der Nordseeinsel von einer Litfaßsäule in die Arme der Schaulustigen.
Die sogenannten Klaasohm machen in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember traditionell Jagd auf Frauen. (Archivbild)
Reinhold Grigoleit/dpa

Bei diesem Brauch soll ab jetzt eine Null-Toleranz-Linie verfolgt werden!
In der Nacht zum 6. Dezember wird auf der Nordseeinsel Borkum Klaasohm gefeiert. Jedes Jahr versammeln sich die Junggesellen der Insel, um mit Kuhhörnern Jagd auf Frauen zu machen. Die Polizei will das nicht mehr tolerieren.

TV-Bericht über Klaasohm löst Empörung aus

Gerät eine Frau in die Fänge der Klaasohms, wird sie festgehalten und mit einem Kuhhorn verhauen. Was genau passiert, soll eigentlich niemand vom Festland je erfahren. Vor kurzem hat jedoch ein Bericht des ARD-Magazins Panorama über die Tradition bundesweit für Empörung gesorgt. In dem Beitrag berichten Frauen anonym von aggressiven Übergriffen. Ein Team filmt im vergangenen Jahr, wie Frauen bei dem Fest auf der Straße von sogenannten Fängern festgehalten werden und ihnen die kostümierten Klaasohms mit einem Kuhhorn auf den Hintern schlagen.

Die Polizei von Borkum möchte das nicht mehr tatenlos hinnehmen. „Wir fahren eine Null-Toleranz-Linie“, betont ein Polizei-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Momentan werde ein Konzept erarbeitet, wie jede Form der Gewalt in der Nacht zum 6. Dezember unterbunden werden soll.

Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos).
Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos, Archivbild).
Sina Schuldt/dpa

Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) sieht seine Insel durch den Bericht in ein falsches Licht gerückt: „Die Berichterstattung ist aus meiner Sicht tendenziös und unseriös. Diese Bewertung wird von vielen Bewohnerinnen und Bewohnern der Insel geteilt“, sagt er der dpa. Die Videosequenz zeige ein Fehlverhalten Einzelner und könne „keinesfalls als Beleg dafür herhalten, dass die Insel Gewalt toleriert, wie es der Bericht suggeriert.“

Lese-Tipp: Diese wilde Frauenjagd am Nikolausabend soll niemand sehen

In einer aktuellen Stellungnahme räumt der Verein Borkumer Jungens ein, dass das Schlagen mit Kuhhörnern in der Vergangenheit „und in Einzelfällen auch in den letzten Jahren“ Teil des Brauches gewesen sei. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre“, teilt der Verein jetzt mit. Dieser Teil der Tradition habe jedoch nie den Kern des „Fests für die ganze Insel“ ausgemacht und sei in den vergangenen Jahren „fast gar nicht mehr“ erfolgt.

Im Video: Klaasohm – Tradition soll Geheimnis bleiben

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

RTL war schon 2022 vor Ort – aber nicht erwünscht

Bereits im Dezember 2022 macht sich ein RTL-Reporter ein Bild der Lage, stößt allerdings auf Widerstand. Mehrere, teils augenscheinlich betrunkene, junge Männer verfolgen unser Kamerateam und versuchen, das Filmen zu unterbinden. Dennoch werden wir zu dieser Zeit Zeuge, wie Frauen festgehalten und geschlagen werden. Auch Interviews sind tabu: „Hau ab, du mit deinem scheiß Mikro!“, brüllt jemand, ehe sich dann doch noch ein Borkumer das Gespräch mit RTL sucht: 364 Tage seien sie [die Borkumer; Anmerkung der Redaktion] für die Gäste der Insel da. Einen Tag im Jahr bräuchte man jedoch für sich.

Ein Aushang mahnt die Besucher, Aufnahmen des Festes zu teilen.
Ein Aushang mahnt die Besucher, Aufnahmen des Festes zu teilen. (Archivbild)
Borkumerleben

Woher stammt Klaasohm?

Auf Borkum wird sich erzählt, dass der Brauch auf die Zeit der Walfänger auf der Insel zurückgeht. Die Männer seien traditionell am Jahresende nach einigen Monaten auf See zurück auf die Insel gekommen und hätten mit dem Brauch klargemacht, dass nun wieder sie – und nicht die Frauen – das Sagen hätten.

Dieses Jahr – und wohl auch in Zukunft – wird die Polizei das Sagen haben. Die hat angekündigt, den umstrittenen Nikolaus-Brauch mit zahlreichen Einsatzkräften zu begleiten. Nach heftiger Kritik haben die Veranstalter außerdem angekündigt, den „Brauch des Schlagens“ dieses Jahr abschaffen zu wollen. (xes, dpa)