"Unterste Kanone"
"Wie ein Tankstellenball" - Beachvolleyballer über neuen Ball empört

Der Weltverband FIVB führt über die Köpfe der Athleten hinweg einen neuen Beachvolleyball ein - und sorgt damit für Verärgerung. Nationalspielerin Karla Borger bezweifelt, dass das Vorgehen der Funktionäre regelkonform ist.
Sensibles Thema Bälle
Mannschaftssportler pflegen seit jeher ein besonderes Verhältnis zu ihrem Spielgerät: Sie treten werfen oder schlagen den Ball nicht nur, sie streicheln, umschmeicheln, kuscheln ihn auch. Sie verbringen so viel Zeit und verbinden so viele Abenteuer mit dem Objekt der Begierde, dass ein zärtliches Verhältnis beinahe zwangsläufig die Folge ist. Insofern ist es nachvollziehbar, dass Athletinnen und Athleten - ganz gleich aus welcher Disziplin - sensibel reagieren, wenn es um den Ball geht.
Das sollte man im Hinterkopf behalten, um einschätzen zu können, warum die Zunft der Beachvolleyballer seit Jahresbeginn nicht gut auf die Funktionäre des Weltverbandes FIVB zu sprechen ist. Vor den Olympischen Spielen 2012 hatte der Konzern Mikasa den "Beach Champ VLS 300" eingeführt, der den Sandwühlern seitdem ein treuer Begleiter ist, und den speziell die Deutschen in ihr Herz geschlossen haben. Auch, weil zunächst Julius Brink und Jonas Reckermann sowie vier Jahre darauf in Rio de Janeiro Laura Ludwig und Kira Walkenhorst mit dem blau-weiß-gelben Spielgerät Gold aus dem Sand gruben.
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Diskriminierungsvorwürfe gegen Verband
Nun gibt es einen neuen Ball, allerdings mutet das, was sich um dessen Einführung rankt, durchaus kurios an. "Die Art und Weise lässt die Profis ratlos zurück und wird zum Politikum", ist auf der Plattform volleyball-insider zu lesen. Im Dezember verschickte die FIVB eine E-Mail an die unter seinem Dach versammelten nationalen Verbände: "Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Mikasa ab dem ersten Event der olympischen Qualifikationsperiode, die vom 1. bis 5. Februar 2023 in Doha stattfinden wird, einen neuen Beachvolleyball BV 550C auf den Markt bringen wird."
Zwischen dieser Mitteilung und dem Turnier, in dem der neue Ball erstmals genutzt wird, liegen also gerade einmal zwei Monate. Reichlich wenig Zeit, um sich seriös einzuspielen, doch damit nicht genug: Der neue Ball ist im Handel noch gar nicht zu erhalten, um seine Auslieferung macht der Produzent ein großes Geheimnis. Um die Athleten nicht vollkommen blank dastehen zu lassen, bekamen Teams aus den Top 100 der Weltrangliste vier Bälle zugeschickt, um eine Eingewöhnung zu ermöglichen. Wer weiß, in welcher Intensität in der Spitze gearbeitet wird, weiß, dass das lächerlich wenig ist. Zudem spricht die Spielervereinigung von Diskriminierung, weil die tiefer eingestuften Teams keine Möglichkeit bekommen, mit dem neuen Ball zu arbeiten.
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Borger wütet gegen "Kamikazeentscheidung"
Als das deutsche Nationalteam Karla Borger und Sandra Ittlinger seine Bälle nach Stuttgart geschickt bekam, befand sich das Duo im Trainingslager auf Teneriffa. Schlechtes Timing, doch Glück im Unglück: Scout Raimund Wenning flog am folgenden Tag auf die Ferieninsel und nahm die Bälle mit. Die Wahrnehmung beim ersten Aufschlag von Karla Borger: "Wow, ist das Ding schnell." Über die reichlich unbefriedigende Lage berichten Karla Borger und Sandra Ittlinger im ersten Teil ihres hörenswerten Podcasts "Life is a Beach": Ihr erster Eindruck sei gewesen, "das Ding sieht aus wie ein Tankstellenball", berichtet Karla Borger: "Ist das deren Ernst, wir sind doch noch weit weg vom 1. April".
Karla Borger findet die Geschichte "spannend". Wer die Athletin, die sich neben ihrem Beruf im Sand auch noch als meinungsstarke Präsidentin des Vereins "Athleten Deutschland" engagiert, kennt, weiß, dass sie gerne schärfere Adjektive benutzen würde, um die verworrene Situation zu beschreiben, in die der Weltverband die Athleten manövriert hat. Das tut die Abwehrspielerin in der Folge auch und spricht von einer "Kamikazeentscheidung. Das ist echt unterste Kanone, was die uns Spielern und Spielerinnen gegenüber liefern. Die drücken das einfach durch, ohne uns zu informieren." Nach dem Motto "scheiß drauf, wie es den Spielerinnen damit geht".
Karla Borger bezweifelt, dass das Vorgehen der FIVB regelkonform sei, da das Equipment für einen Wettbewerb drei Jahre vor Beginn eines olympischen Turniers beim IOC vorgelegt werden müsse. Sie sei "der festen Überzeugung, dass man dagegen vorgehen kann". Das war mehr als deutlich, die Reaktion der FIVB ließ nicht lange auf sich warten, wie das Duo in einer weiteren Folge ihres Podcasts vermeldete: Der Weltverband meldete sich schriftlich beim Duo und verhängte einen Maulkorb. Sandra Ittlinger berichtete von einem per E-Mail versendeten "Sprechverbot", die Einführung des neuen Balles werde auf anderen Kanälen exklusiv verkündet: "Also vergesst, worüber wir gesprochen haben." Karla Borger ergänzte lachend: "Wir haben nichts gesagt."
Quelle: ntv.de