Immunologe Carsten Watzl im Interview
Endlich wieder oben ohne! Wann wir auf die Maske verzichten können

Der Höhepunkt der Omikron-Welle scheint erreicht, erste Lockerungen deuten sich an. Immunologe Carsten Watzl hält dies für vertretbar, mahnt im Interview mit ntv jedoch zur Vorsicht in Innenräumen. Auch die Masken dürften uns noch eine Weile begleiten - allerdings scheint laut dem Mediziner auch hier ein Ende in Sicht.
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Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt leicht. Sind wir schon über den Berg?
Carsten Watzl: Wir sind sicherlich auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle. In den nördlichen Bundesländern gehen die Fallzahlen schon seit längerer Zeit runter. Wir sehen das jetzt auch ansatzweise bundesweit. Dieser Trend wird sich wahrscheinlich durchsetzen. Wenn andere Länder ein Beispiel sind, dann ist zwar mit der Omikron-Welle ein sehr starker Anstieg verbunden. Der Abfall stottert manchmal so ein bisschen, aber definitiv geht es jetzt auch nach unten.
Der Expertenrat der Bundesregierung spricht von einer neuen Pandemie-Phase und hält Lockerungen in den kommenden Wochen für möglich. Womit können wir genau anfangen?
Watzl: Man kann sicherlich die 2G-Regel im Einzelhandel als Erstes aufführen, gerade wenn man an deren Stelle eine FFP2-Maskenpflicht verhängt. Letztendlich bringt dann die Maske viel mehr beim Infektionsschutz. Bei Lockerungen für größere Veranstaltungen, wo viele Leute gerade auch im Innenraum zusammenkommen, sollte man meiner Meinung nach noch ein bisschen vorsichtig sein. Man möchte ja jetzt nicht zu früh lockern, dass nachher wieder die Fallzahlen nach oben gehen.
Schleswig-Holstein lockert jetzt schon. Wie sinnvoll ist es, dass einige Bundesländer kurz vor der MPK ihren eigenen Weg gehen?
Watzl: Das kann regional durchaus unterschiedlich sein, wir haben ja gesehen, dass gerade in den nördlichen Bundesländern die Omikron-Welle zuerst ankam und jetzt auch zuerst vorbei ist. Dort sieht man jetzt auch schon die Entspannung in den Krankenhäusern. Und ich glaube, das ist das wichtigste Signal, aufgrund dessen man dann auch lockern kann.
Gilt das auch für die Maskenpflicht? Ministerpräsident Günther hat in Aussicht gestellt, diese Richtung Ostern vielleicht auch zu lockern.
Watzl: Die Maskenpflicht, gerade in Innenräumen, wo viele Leute zusammenkommen, sollte als letzte Maßnahme wegfallen. Das ist wirklich der beste Schutz, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Aber irgendwann, gerade im Sommer, können wir auf die Maske sicherlich auch verzichten.
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Nächste Woche soll der Protein-Impfstoff von Novavax kommen. Was kann dieser Impfstoff genau?
Watzl: Dieser Impfstoff basiert auf einer Technologie, die wir sonst bei den Corona-Impfstoffen so noch nicht hatten, die wir aber schon bei anderen Impfstoffen angewandt haben. Da wird das Spike-Protein im Labor in Zelllinien hergestellt, wird aufgereinigt, und das wird verimpft. Auch dieser Impfstoff hat gezeigt, dass er sehr gut vor einer Erkrankung schützen kann. Auch hier braucht man wahrscheinlich drei Impfungen. Das heißt, in der Beziehung ist es sehr ähnlich zu den anderen Impfstoffen. Aber er könnte dazu führen, dass sich mehr Leute impfen lassen, weil es eine altbewährte Technologie ist.
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Die Impfquote liegt mit rund 75 Prozent noch weit unter der Zielvorgabe der Bundesregierung. Auf wie viel Prozent könnte man die mit dem Novavax-Impfstoff anheben?
Watzl: Da genaue Vorhersagen zu machen, ist natürlich schwer. Wirklich wichtig ist die Impfquote bei den über 60-Jährigen. Da sind wir gar nicht so schlecht, da liegen wir bei um die 90 Prozent. Das heißt, da fehlen uns noch zehn Prozent der vulnerablen Bevölkerung, die sich wirklich durch die Impfung schützen sollte. Und wenn jetzt Novavax dazu führen würde, dass das noch ein paar Prozent nach oben geht und wir näher an die 95-Prozent-Marke herankommen, wäre das natürlich sehr wünschenswert.
Was sagen Sie allen Ungeimpften? Warum sollte man sich momentan noch impfen lassen?
Watzl: Wir sehen in der Omikron-Welle, dass die Impfungen genau das tun, was sie tun sollen: Sie bewahren Leute vor einem schweren Verlauf, und das ist auch der Hauptgrund, warum Omikron aktuell als so harmlos gilt, weil sich Geimpfte auch wieder infizieren können, aber die Impfung sie vor einem schweren Verlauf schützt. Gerade Personen, die noch ungeimpft waren und sich in der Omikron-Welle eine Infektion abgeholt haben, sind zwar aktuell relativ gut vor Omikron geschützt. Aber genauso gut wie die alten Impfstoffe schlecht gegen Omikron schützen, schützt eine Omikron-Infektion nicht so gut vor den anderen Varianten. Und auch Delta ist bei uns noch nicht ganz vorbei. Es kann durchaus sein, dass es nächsten Winter noch mal wiederkommt. Die Empfehlung wäre: Auch wenn man einmal infiziert war, sollte man sich noch mal impfen lassen mit den bisherigen Impfstoffen. (nba/akr)
Mit Carsten Watzl sprach Nele Balgo
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