Online-Glücksspiel ist jetzt in ganz Deutschland erlaubt
Spielsüchtige beichtet: Ich habe 150.000 Euro im Online-Casino verzockt
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Neuer Glücksspielstaatsvertrag ab Juli: Fluch oder Segen?
Online pokern und an virtuellen Spielautomaten zocken – das war bislang nur in Schleswig- Holstein erlaubt. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag, der am 1. Juli in Kraft tritt, sind Online-Casinos jetzt bundesweit legal. Es gibt strenge Regeln für die Anbieter und auch die Spieler: Sie sollen bei den lizensierten Angeboten besser vorm Dauerzocken geschützt werden als bei undurchsichtigen ausländischen Firmen. Dennoch warnen Experten vor den Gefahren der Spielsucht. Eine Sucht, die Aliya (47) in den Ruin getrieben hat, wie sie im Video erzählt.
Riesiger Schuldenberg nach vier Monaten zocken
Über 150.000 Euro hat Aliya, die unerkannt bleiben möchte, zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 in Online-Casinos verzockt. Hauptsächlich bei einem Anbieter, der eine Lizenz auf der Karibikinsel Curacao besitzt. Mit der Sucht wuchs auch der Schuldenberg, Aliya dachte sogar an Selbstmord.
Private Probleme trieben Aliya in die Spielsucht
Alles fängt während der Corona-Pandemie an, als Aliya private Probleme bekommt. Ihr Mann hat einen Unfall, sie muss sich um ihn und ihre beiden Kinder kümmern. Dann wird sie zum dritten Mal schwanger, verliert ihre Arbeitsstelle. Als sie sieht, wie der Freund ihres Sohnes auf dem Handy zockt, ist sie angefixt.
"Ich hatte Stress in der Familie und dachte: Lenk dich ab damit, du tauchst damit ja in eine andere Welt ein und kannst dann abschalten. Vielleicht hast du dann noch Glück, dass du beim Abschalten Geld verdienst", erzählt die 47-Jährige. "Am Anfang hab ich 50 Cent eingesetzt. Dann fünf, dann 50 – und irgendwann waren es 100 Euro Einsatz", erinnert sich die Mutter von drei Kindern.
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Zocken bestimmte den Tagesablauf
Nach ersten Verlusten glaubt Aliya noch, "irgendwann auf der Gewinnliste" zu stehen. Doch sie überweist immer mehr Geld ans Casino, das Zocken bestimmt ihren Tagesablauf. "Diese Gefühle sind unbeschreiblich grausam", sagt sie. "Man trauert einfach, ich konnte mich tagsüber nicht auf die Familie konzentrieren." Manchmal habe sie 48 Stunden nicht geschlafen.
Dann realisiert Aliya, dass sie alles verzockt hat. Geld, das aus dem Verkauf eines Hauses stammte. "Ich hab gedacht: Was hast du deiner Familie angetan?", erzählt die 47-Jährige. Sie wendet sich an eine Schuldnerberatung und die Suchthilfe – und will jetzt vor Gericht erreichen, dass sie ihr Geld zurückbekommt. Schließlich sei die Zockerei zu dem Zeitpunkt illegal gewesen, argumentiert Aliya.
Strikte Regeln für Online-Casinos und ihre Kunden
Drohen durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag neue Spielsüchtige? Eine extra geschaffene Glücksspielbehörde soll das verhindern, und die Regeln für Online-Casinos und ihre Kunden sind strikt: Die lizensierten Anbieter sollen überwacht werden und eine Betreibererlaubnis nur befristet erhalten.
Für die Spieler gibt es unter anderem vorgeschriebene Spielpausen und ein Einzahlungslimit. "Ich darf also als Spieler künftig nicht mehr als 1.000 Euro im Monat einzahlen. Das Ganze wird überwacht durch eine neu entwickelte Limit-Datei", sagt Dr. Rene Seidel von der Glücksspielbehörde.
Expertin rät: Nur mit Geld spielen, wenn man Verluste verschmerzen kann
Aber schützt das wirklich vor Spielsucht? Wer zocke, müsse sich bewusst sein, dass er verlieren kann, erklärt Ilona Füchtenschnieder vom Fachverband Glücksspielsucht. "Man muss Verluste akzeptieren können. Ganz cool Geld verzocken, wenn man es hat – und wenn man es nicht hat, es lassen."
Auch der Staat verdient am Glücksspiel
Eine zentrale Glücksspielbehörde in Halle (Sachsen-Anhalt) soll künftig darüber wachen, dass die Anbieter die Regeln einhalten und Spieler geschützt werden. Sie wird allerdings erst im Januar 2023 alle vorgesehenen Aufgaben übernehmen. Es ist geplant, dass die Behörde unter anderem unerlaubte Glücksspiele technisch blockieren und Zahlungen dafür unterbinden kann.
Auf Einsätze bei Glücksspielen in Online-Casinos wird (analog zu Renn- und Sportwetten) ein Steuersatz von 5,3 Prozent erhoben. Kritiker wie der Deutsche Sportwettenverband führen unter anderem an, Spieler könnten auf den Schwarzmarkt ausweichen.
Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben rund 430.000 Menschen in Deutschland eine Glücksspielsucht oder ein problematisches Glücksspielverhalten. (bst)
Hier finden Sie Hilfe in schwierigen Situationen
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über Ihre Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Hier finden Sie eine Übersicht über Hilfsangebote.
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