"Heute Morgen habe ich als erstes geweint"
Angriff auf die Ukraine: So geht es Angehörigen in Norddeutschland
Seit Donnerstagmorgen ist Krieg – mitten in Europa. Auch in Norddeutschland gibt es viele Menschen, die in der Ukraine und in Russland Familie und Freunde haben. Im Interview mit RTL Nord verraten sie uns, wie es ihnen und ihren Familien geht.
Lese-Tipp: Alle Infos rund um die Lage in der Ukraine finden Sie auch jederzeit in unserem Live-Ticker.
"Heute Morgen im Krieg aufgewacht"
William Dubas ist gebürtiger Ukrainer und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Oldenburg. Teile seiner Familie leben in der Ukraine. „Wir sind mit Hoffnung gestern ins Bett gegangen und heute Morgen im Krieg aufgewacht“, erzählt der 42-Jährige unserem RTL Nord-Reporter Thees Jagels. Mittags erreicht er seinen Vater per Videoanruf, ihm gehe es gut. Er lebt im Westen der Ukraine, in der Nähe von Polen. Doch auch hier hätten morgens die Sirenen geheult, berichtet er seinem Sohn.
Ukrainer in Deutschland im "Krisenmodus"
Für William ist seit Donnerstagmorgen nichts mehr wie vorher: „Du bist erstmal in einer Schockstarre. Du denkst: jetzt war es das. Und dann fängst du wieder an, logisch zu denken, rufst deine Verwandten und Freunde an. Ich bekomme jede Minute Nachrichten.“ Der Oldenburger versucht jetzt, seine Familie und Freunde in der Ukraine zu unterstützen. Eine befreundete Familie aus Oldenburg war gerade in der Ukraine auf einer Beerdigung – jetzt sitzen sie dort fest. Andere Bekannte sollen zum Wehrdienst einberufen werden. William ist jederzeit dazu bereit, ihre ukrainischen Kinder an der polnischen Grenze abzuholen. „Jeder Ukrainer in Deutschland arbeitet gerade in diesem Krisenmodus“, sagt er.
Empfehlungen unserer Partner
"Die Leute sind schockiert und in großer Panik"
Ähnlich geht es Iryna Das aus dem niedersächsischen Seevetal. Sie ist gebürtige Ukrainerin und lebt seit 2011 in Deutschland. Die Sorgen um ihre Verwandtschaft machen die 32-Jährige inzwischen krank. Denn während sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Wohnzimmer die Nachrichten verfolgt, leben ihre Eltern, ihr Bruder und ihre Großeltern plötzlich im Kriegsgebiet. „Mein Bruder ist heute um vier aufgestanden, wegen der Bomben in der Nähe seiner Wohnung. Die Leute sind schockiert und in großer Panik, versuchen die Wohnungen, die Häuser zu verlassen, um zur Familie zu kommen. So macht mein Bruder das auch", erzählt sie RTL Nord-Reporterin Dania Maria Hohn. Irynas größte Sorge gilt derzeit ihrem Bruder in Kiew und ihrem Vater. Sie fürchtet, dass sich beide zum Kampf melden. Denn die Ukraine aufgeben, wollen sie nicht.
Angst, die eigene Meinung zu sagen
Julia Jordan ist gebürtige Russin. Bis 2014 lebt sie in Nowosibirsk. Als der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beginnt, flieht sie nach Deutschland. „Man hat wirklich gemerkt, wie sehr die Rechte der Menschen auch in Russland immer mehr eingeschränkt werden. Auch die Armut in Russland wurde immer mehr, auch für junge Menschen, auch für gebildete Menschen“, erzählt sie Vanessa Fritz im RTL Nord-Interview. „Die Meinungen sind gespalten und die Leute wollen sich gar nicht mit der Politik auseinandersetzen, weil sie im Überlebenskampf stecken. Die Leute verdienen kein Geld, müssen schauen, dass sie die Wohnung irgendwie bezahlen können. Und deswegen beschäftigen sie sich so wenig mit der Politik. Und die, die sich mit der Politik befassen, haben oft einfach Angst, ihre Meinung zu sagen.“
"Heute Morgen habe ich als erstes geweint"
Julia studiert in Deutschland, lebt heute mit ihrem ukrainischen Freund in Hamburg. Ihre Eltern sind noch in Russland und auch in der Ukraine hat sie Freunde. „Ich hab heute morgen geweint, weil ich irgendwie nicht fassen konnte, dass meine Heimat die Heimat von anderen angreift. Die Heimat von meinen Freunden, die Heimat von meinem Freund, einfach angegriffen wird. Und das in 2022. Das konnte ich einfach nicht fassen. Ich lag noch im Bett mit meinem Handy und mir liefen die Tränen runter.“ (kzi/jsi)