Nach der Freilassung von Oscar PistoriusReeva Steenkamps Mutter: Ich wünschte, sie hätte Oscar nie kennengelernt!

epa04157701 June Steenkamp, mother of Reeva Steenkamp, is seen during the murder trial of South African Paralympic athlete Oscar Pistorius at the North Gauteng High Court, Pretoria, South Africa, 07 April 2014. Pistorius is accused of the murder of his model girlfriend Reeva Steenkamp in February 2013. Pistorius is due to take the stand this week as part of his defense against the charges of murder. EPA/THEMA HADEBE / POOL +++(c) dpa - Bildfunk+++
June Steenkamp spricht in eine Interview über ihre Gefühle zu Oscar Pistorius' Freilassung.
dpa, Pool

„Wir, die wir zurückbleiben, sind diejenigen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen!“
Nach der Haftentlassung von Oscar Pistorius hat sich die Mutter der ermordeten Reeva Steenkamp mit emotionalen Worten in einem langen Statement zu Wort gemeldet. In einem Interview verrät June Steenkamp, warum sie den Sportler nicht für den Tod ihrer Tochter, sondern auch für den ihres Mannes verantwortlich macht und warum sie ihm dennoch vergeben hat.
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June Steenkamp: „Keine noch so lange Haftstrafe wird Reeva zurückbringen“

Elf Jahre nachdem er seine damalige Freundin Reeva Steenkamp erschoss, ist Oscar Pistorius frei – nach achteinhalb Jahren im Gefängnis. Reevas Mutter June Steenkamp hadert mit der Entscheidung.

„Hat es Gerechtigkeit für Reeva gegeben? Hat Oscar genug Zeit abgesessen? Es kann niemals Gerechtigkeit geben, wenn der geliebte Mensch nie wieder zurückkommt, und keine noch so lange Haftstrafe wird Reeva zurückbringen. Wir, die wir zurückbleiben, sind diejenigen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen“, schreibt sie in einem langen Statement nach Pistorius’ Haftentlassung.

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Schließlich hatte ihre Tochter in ihrem Leben noch große Pläne. „Wenn sie Oscar nie kennengelernt hätte, wäre Reeva heute sicher glücklich verheiratet, eine liebevolle junge Mutter mit allem, was man zum Leben braucht, und einer Menge Katzen und Hunden und vielleicht einem oder zwei Pferden“, ist sich June Steenkamp im Interview mit Mail Online sicher.

Auch beruflich hatte Reeva viel vor, wie ihre Mutter verrät: „Ihre Vision war es, ein öffentliches Profil aufzubauen und dann als Anwältin zu praktizieren, damit sie misshandelten Männern, Frauen und Kindern helfen konnte. Sogar Tieren. An den Wochenenden ging sie mit den Tieren im Tierheim spazieren.“

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Doch statt sich über Enkelkinder und eine erfolgreiche Karriere ihrer Tochter zu freuen, muss sich June Steenkamp mit dem Tod ihrer Tochter abfinden – und mit dem ihres Mannes Barry, der im September 2023 an einem „gebrochenem Herzen“ starb.„Er ist nie über Reevas Tod und vor allem über die schreckliche Art und Weise, wie ihr Leben zu Ende ging, hinweggekommen. Und natürlich sind die kleinen Babys, von denen wir alle geträumt haben, einfach nur ein Traum geblieben“, so Reevas Mutter.

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Reeva Steenkamps Mutter ist sicher: „Er wusste, dass er sie töten würden“

Oscar Pistorius hatte in der Nacht des Valentinstags 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp mit vier Schüssen durch die Toilettentür seiner Villa in der Hauptstadt Pretoria getötet. Das Verfahren gegen den unterhalb beider Knie amputierten Pistorius zog sich über Jahre und ging durch mehrere Instanzen.

Der ehemalige Athlet hatte 2014 zunächst eine Haftstrafe von fünf Jahren erhalten. Diese wurde 2016 auf sechs Jahre erhöht. Nach nochmaliger Widerrufung durch die Staatsanwaltschaft wurde Pistorius Ende 2017 schließlich zu 13 Jahren und fünf Monaten verurteilt. Bis heute beteuert er, dass es ein Unfall gewesen sei – er habe seine Freundin für einen Einbrecher gehalten.

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Eine Erklärung, die June Steenkamp auch elf Jahre später für eine Lüge hält. „Es gab einen Streit. Die Nachbarn hörten Schreie - den Schrei einer Frau - den Schrei von Reeva. Ich glaube den Nachbarn“, erklärt sie und glaubt auch den Grund für die Auseinandersetzung zu kennen. „Ich glaube, dass Reeva ihn in dieser Nacht verlassen wollte und aus Angst auf die Toilette lief, um sich vor ihm zu verstecken. Die Beweise vor Gericht lassen mir keinen Zweifel daran, dass er wusste, dass es Reeva hinter der Toilettentür war, als er vier schwarze Krallenkugeln durch die Tür schoss.“ Sie ist sich sicher: „Er wusste, dass er sie töten würde.“

Doch, dass Oscar Pistorius ihre Version der Ereignisse zugibt, daran glaubt June Steenkamp nicht mehr: „Ich habe jede Hoffnung verloren, dass Oscar Pistorius jemals die Wahrheit über die Geschehnisse jener Nacht preisgeben wird.“

June Steenkamp: „Ich habe Oscar schon vor langer Zeit vergeben“

Dennoch habe sie dem Sportler inzwischen vergeben. „Mein Christentum verlangt von mir, dass ich vergebe. Ich habe Oscar schon vor langer Zeit vergeben. Ich vergebe um meiner selbst willen, nicht um seinetwillen“, erklärt June Steenkamp.

Doch auch ihr Leben habe sich nach dem Mord für immer verändert. „Er hat uns auch unsere Privatsphäre genommen. Wir wurden von einigen Mitgliedern der Öffentlichkeit, die Barry und mich zum Opfer gemacht haben, kritisiert und beleidigt, als ob wir diejenigen gewesen wären, die etwas falsch gemacht hätten“, erinnert sich June Steenkamp schmerzlich. „Es war so, als ob wir diejenigen gewesen wären, die viermal durch eine geschlossene Tür den Abzug gedrückt und einen unschuldigen Menschen getötet hätten.“

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Nach Pistorius’ Haftentlassung hat June Steenkamp nur noch einen Wunsch: „Mein einziger Wunsch ist, dass ich meine letzten Jahre in Frieden leben darf.“ (jve)