So gehen Einsatzkräfte mit dem Schock-Ereignis um

Polizistin über Mord an ihren Kollegen: "Das hätte jedem von uns passieren können"

2022-02-03 174022
Jennifer Könke, Polizistin und Polizeigewerkschafterin aus dem Kreis Mettmann (NRW), im RTL-Interview.

Der Schock über den zweifachen Polizistenmord von Kusel sitzt tief, sowohl in der Bevölkerung als auch insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen der Toten. Jennifer Könke sagt: "Es geht mir sehr nahe. Es waren nicht zwei von uns, es sind zwei von uns und es bleiben zwei von uns." Die Vertrauensfrau der Polizeigewerkschaft GdP für den Kreis Mettmann (Nordrhein-Westfalen) erzählt RTL-Reporter Valerio Magno, wie sie und ihre Kollegen das Verbrechen emotional verarbeiten.

"Es waren nicht zwei von uns, es sind zwei von uns und es bleiben zwei von uns"

02.02.2022, Rheinland-Pfalz, Kusel: Ein Kranz sowie Blumen und Kerzen liegen am Tatort an der Kreisstraße 22 bei Ulmet (Rheinland-Pfalz) zum Gedenken. Am Montag wurden in der Nähe bei Ulmet eine Polizistin und ein Polizist im Dienst getötet. Foto: Harald Tittel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Kranz sowie Blumen und Kerzen liegen am Tatort an der Kreisstraße 22 bei Ulmet (Rheinland-Pfalz) zum Gedenkenan die getöteten Polizisten.
htf, dpa, Harald Tittel

"Es ist schwer. Unfassbar traurig. Es hätte jeden Polizisten treffen können, egal in welchem Alter und in welcher Funktion und an welchem Ort", sagt die 30-Jährige. Viele Kollegen suchten das Gespräch, erzählt sie. Man überlege gemeinsam, wie man sich selbst verhalten hätte. Stelle sich die Frage, ob der Vorfall vielleicht vermeidbar gewesen wäre. "Diese Frage werden wir vermutlich nicht beantworten können", sagt Könke. Sie ist aber sicher: „Diese Ereignislage hätten die Kollegen nicht anders regeln können.“

Erschwert werde die Situation dadurch, dass sich die Tat bei einer Verkehrskontrolle ereignete. "Standard also", wie die Polizistin sagt. Nun gingen vielen Kollegen in dieser Situation Gedanken an die schrecklichen Ereignisse von Kusel durch den Kopf. "Ist es ein normaler Bürger oder habe ich einen Verbrecher vor mir?", beschreibt die Polizistin. Das sei schwer, man müsse versuchen, auf alle eventuellen Reaktionen gefasst zu sein. "Oberstes Gebot ist jetzt Vorsicht", findet sie.

Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten stark gestiegen

Fühlt sie sich jetzt noch sicher im Einsatz auf der Straße? Das bejaht die Frau, die seit acht Jahren im Polizeidienst steht, zuvor drei Jahre ausgebildet wurde. Denn die Ausbildung habe sie eigentlich "sehr gut" vorbereitet. Abwechselnd Fachschule und praktische Einsätze, so dass sich neben dem theoretischen Wissen auch eine Routine entwickeln könne. Alles sei gründlich vermittelt worden, auch wenn immer minimales Restrisiko" bleibe.

Allerdings habe sie in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Gewaltbereitschaft gegenüber den Einsatzkräften stark gestiegen sei. "Wir haben fast täglich damit zu tun, dass unser Gegenüber die Hemmschwelle niedriger ansetzt, auch gegen Polizisten körperlicher zu werden", so Könke. Dennoch hält sie nichts davon, wie beispielsweise Teile der US-Polizei aggressiver vorzugehen. "Solche Zustände möchten wir nicht" sagt sie klar. "Wir wollen weiter freundlich bleiben und weiterhin bürgerorientiert arbeiten."

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"Unser Gegenüber so behandeln, wie wir selbst behandelt werden möchten"

Könke erklärt: "Uns ist daran gelegen, dass wir unser Gegenüber genauso behandeln, wie wir selbst behandelt werden möchten." Ihre Erfahrung sei: "Mit einer sehr guten Kommunikation schafft man es, vieles verbal zu regeln." Auch wenn sich Menschen häufig durch die bloße Anwesenheit von Polizisten provoziert fühlten, gelte für sie: "Wir wollen weiter freundlich bleiben und bürgerorientiert arbeiten."

Auch wenn es so kurz nach den Morden von Kusel schwerfalle, sie und ihre Kollegen versuchten, nach vorn zu schauen. „Wir versuchen, daraus zu lernen, um solchen Situationen künftig vorzubeugen." Sie selbst sei achtsamer bei Verkehrskontrollen, versuche, Abstand zu wahren und Streifenpartner im Auge zu behalten. Mehr könne sie nicht tun, so Könke. "Das, was den Kollegen in Kusel widerfahren ist, hätte jedem von uns passieren können", schließt sie nachdenklich. (uvo)