Nach 10 Wochen Pflege-Streik in NRW
"Wäre Katastrophe!" Gießt Karl Lauterbach mit neuem Vorstoß Öl ins Feuer? Pfleger spricht Tacheles

Täglich steht Pfleger Dominik Stark am Streik-Posten neben der Kölner Uniklinik. Sein Alltag hat sich komplett verändert. Er kämpft für seine Branche und wird nicht aufgeben, bis sich etwas verändert hat. Tausende Pflegekräfte und andere Klinik-Mitarbeiter sind seit zehn Wochen am Streik in NRW beteiligt und noch ist kein Ende in Sicht! Denn eins ist klar: Es muss sich an den Uniklinken etwas ändern. Es geht den Streikenden wie Intensivpfleger Dominik Stark (30) nicht um eine bessere Bezahlung, sondern um etwas viel Größeres: Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden!
Was haben die Streikenden nach zehn Wochen bereits erreicht und wie kommt der neue Gesetzesentwurf zur Krankenhaus-Finanzierung von Karl Lauterbach bei ihnen an? Im RTL-Gespräch spricht die Kölner Pflegekraft Tacheles.
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Pflege-Streik in NRW: Nach zehn Wochen – „Motivation steigt jetzt nochmal enorm“
„Wir hätten nicht gedacht, dass wir so lange hingehalten werden. Doch unsere Motivation steigt gerade noch einmal enorm. Denn gerade nehmen die Verhandlungen wieder Fahrt auf!“, freut sich Pflegekraft Dominik Stark im RTL-Gespräch. Erst nach zehn Wochen Streik steigen die Streikenden mit den Arbeitgebern aktuell in eine konstruktive Verhandlungsphase ein. Die Hoffnungen sind groß, dass die extreme Arbeitsbelastung und der schlechte Personalschlüssel endlich beendet werden und der Tarifvertrag Entlastung durchkommt.
„Die Gesellschaft sollte uns dankbar sein und uns mehr unterstützen, denn wir kämpfen nicht für uns selbst“, betont Stark. Zum Streik in NRW gehört auch, die Gesellschaft und die Arbeitgeber aufrütteln. Das haben Uniklinik-Beschäftigte Anfang der Woche mit dramatischen Erfahrungsberichten in einem anonymen Schwarzbuch gemacht, das auf die Gefahren von Personalmangel in Krankenhäusern hinweisen soll.
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Dramatische „Schwarzbuch“-Einträge der Uniklinik-Beschäftigten – „Musste von draußen beim Sterben zugucken“
Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trugen am Montag in Köln in einer voll besetzten Kirche anonymisierte Texte vor, die nach Angaben der Organisatoren von Kolleginnen und Kollegen verfasst worden waren. Sie sollten verdeutlichen, was es für Patienten bedeute, wenn in Unterbesetzung gearbeitet werde und wie es für Beschäftigte sei, derartigen Situationen ausgesetzt zu sein.
Von „Fließbandarbeit“ war die Rede, in der keine Zeit für Trauer bleibe. Ein Corona-Patient sei allein gestorben, weil es unmöglich gewesen sei, ihm aufgrund der Personal-Lage noch Gesellschaft zu leisten. „Ich habe dem Patienten von draußen beim Sterben zugucken müssen, weil zu wenig Personal da war“, hieß es in dem Text. Auch für Essen oder Getränke bleibe mitunter keine Zeit. Viele weitere eindrückliche Erlebnisse wurden geschildert. „Alle diese Schwarzbuch-Einträge zeigen, dass gehandelt werden muss“, betont Dominik Stark. Für viele sei der Streik „der letzte Hilfeschrei“ und das letzte Aufbegehren, bevor sie den Beruf verlassen. Da hilft es auch nicht, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen aktuellen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, der für die Streikenden wie blanker Hohn klingt.
Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert Karl Lauterbach Gesetzesentwurf – „Schlag ins Gesicht“
Laut des sogenannten „GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes“ sollen mindestens 20.000 Stellen in der Pflege im Krankenhaus gestrichen werden. Laut Entwurf sollen ab dem Jahr 2024 tausende Mitarbeiter nicht mehr über das Pflegebudget finanziert werden, weil sie nach Ansicht des Ministers nicht mehr am Krankenbett tätig sein sollen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert den Vorschlag massiv.
„Dieser Gesetzentwurf ist ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit vielen Jahren wertvolle Arbeit zur Unterstützung der Pflege am Patienten leisten. Zudem würde alles, worauf sich die Selbstverwaltung in schwierigen Verhandlungen mittlerweile geeinigt hat, über den Haufen geworfen. Karl Lauterbach hat bisher nichts getan, um den Pflegepersonalmangel zu beseitigen. Mit diesem Gesetz wird sich der Personalmangel in der Pflege weiter verschärfen. Nach zwei Jahren Pandemie ist es absolut nicht nachvollziehbar, wie der Gesundheitsminister einen solchen Vorschlag unterbreiten kann“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß in einer aktuellen Mitteilung zum Vorstoß des Gesundheitsministers.
Ihre Meinung ist gefragt: Tut die Politik genug gegen den Pflegenotstand in Deutschland?
„Wäre eine Katastrophe“ – Streikende sehen Lauterbach-Vorschlag negativ und kämpfen weiter
Auch Pfleger Dominik Stark, der sich mit den vielen Tausend Streikenden in NRW nicht nur für bessere Bedingungen in der Pflege, sondern für das gesamte Krankenhaus-Team einsetzt, hält nichts von der Idee, an anderen Kräften im Krankenhaus zu sparen.
„Ich finde dramatisch, was hier passiert. Ich bekomme große Sorge, wenn Physiotherapeuten, Logopäden und andere Kräfte wegfallen sollen, die für die Versorgung am Krankenbett essenziell sind. Es wäre eine Katastrophe und diese Stellen wegzunehmen“, sagt Stark mit Blick auf seine Arbeit auf der Intensivstation. Auch bei anderen Streikenden sei der Lauterbach-Vorschlag nicht gut angekommen. Doch an der Streik-Motivation ändert der Entwurf nichts – jetzt sei in der letzten Phase vor allem wichtig, dass die ganze Gesellschaft mitkämpft. „Wir brauchen jeden, die Presse, die Politik und euch alle! Wir müssen diesen Streik erfolgreich zu Ende bringen! Bitte kommt am Streik-Posten vorbei und zeigt euch mit uns solidarisch! Dieser Pflegenotstand geht uns alle an“, appelliert Stark.