Glücklicher mit glatter Stirn

Neue Studie: Darum hilft Botox bei Depressionen und Borderline

Professor Dr. Tillmann Krüger hat gezeigt, das Botulinumtoxin-Spritzen nicht nur Muskeln beeinflussen, sondern auch das emotionale Steuerzentrum im Gehirn.
Professor Dr. Tillmann Krüger hat gezeigt, das Botulinumtoxin-Spritzen nicht nur Muskeln beeinflussen, sondern auch das emotionale Steuerzentrum im Gehirn.
KARIN KAISER, KARIN KAISER MHH
von Carmen Gocht

Das Nervengift Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox, lässt Falten verschwinden. Aber wussten Sie, dass es auch bei Depressionen oder der Borderline-Erkrankung helfen kann? Eine Studie der medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zeigt jetzt, wie das funktioniert.
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Botox "dämpft negative Emotionen"

„Wird Botox in die Stirn gespritzt, lindert es Depressionen. Auch bei Menschen mit Borderline-Erkrankung, die an extremen Stimmungsschwankungen leiden, dämpft es nachhaltig negative Emotionen“ heißt es von der MHH. Das habe Professor Dr. Tillmann Krüger von der MHH zusammen mit einem Hamburger Kollegen schon vor Jahren nachgewiesen. Jetzt haben die Psychiater herausgefunden, wie Botox das Negativ-Programm im Gehirn beeinflusst.

Positives Gefühl ohne Falten

ARCHIV - 01.10.2021, Großbritannien, London: Eine Frau erhält eine Botox-Injektion (Undatierte Aufnahme). Um so genannte «Instagram-Gesichter» zu verhindern, sind Botox-Behandlungen aus kosmetischen Gründen für unter 18-Jährige in England ab sofort verboten. Auch Hautlippenfüller sind nicht mehr erlaubt. Foto: David Parry/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Botox : Wundermittel gegen Depressionen und Borderline-Symptome?
alf, dpa, David Parry

Sind wir wütend oder angespannt, sieht man uns das im Gesicht an. Die Muskeln ziehen sich zusammen und es entstehen an der Nasenwurzel Zornes- oder Sorgenfalten. Botox lähmt die Muskeln zwischen den Augenbrauen. Weil Gesichtsmimik und psychisches Befinden eng verbunden sind, reduziert sich dadurch auch die Intensität der Emotionen. „Eine entspannte Stirn vermittelt sozusagen ein positiveres Gefühl“, erklärt Professor Krüger. In der Wissenschaft wird diese Rückkoppelung als sogenannte Facial-Feedback-Theorie diskutiert. „Indem Botox die Feedbackschleife zwischen den Stirnmuskeln und dem Gehirn unterbricht, verändert es auch die emotionale Rückmeldung“, heißt es in einer Mitteilung der MHH.

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Nachweis bei Borderline-Patienten

Laut MHH leiden etwa drei Prozent der Deutschen an der Borderline-Erkrankung, mehr als 62 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Bei einer Studie wurde den Patientinnen Botox in den Bereich der unteren und mittleren Stirn gespritzt. Das Ergebnis: „Nach vier Wochen hatten die Patientinnen deutlich weniger Symptome, was sich auch in den MRT-Bildern zeigte“, so die MHH. Das „emotionale Dauerfeuer“ im Gehirn sei gedrosselt worden.

Botox besser als andere Therapien?

Eine Vergleichsgruppe, die mit Akupunktur behandelt wurde, zeigte zwar auch verbesserte klinische Symptome, nicht jedoch die neuronalen Effekte in der MRT-Untersuchung.

Laut Professor Krüger hat die Behandlung gleich mehrere Vorteile: „Da die lähmende Wirkung drei oder mehr Monate anhält, muss auch nur in diesen zeitlichen Abständen eine Spritze gesetzt werden. Die seltenen Injektionen sind zudem weniger kostspielig als manche anderen Therapieoptionen und haben eine sehr gute Verträglichkeit und Akzeptanz unter den Patienten.“

Botox wirkt auch bei Angststörungen

In Zusammenarbeit mit der University of California San Diego fanden Professor Krüger und seine Kollegen heraus, dass Botox auch Angststörungen mildern kann. Dazu muss es in die Kopfmuskeln, in die Muskeln der oberen und unteren Gliedmaßen sowie in die Nackenmuskeln gespritzt werden. Bislang gehört die Botox-Behandlung bei psychischen Erkrankungen allerdings nicht zu den Leistungen der Krankenkassen. Der Psychiater hofft, dass sich das ändert, wenn die Wirkweise noch besser erforscht ist.