64 Bewohner erkrankten an Corona, 17 starben

Urteil: Pflegeheim-Leitung muss nicht ins Gefängnis!

Das Landgericht Hanau eröffnet den letzten Prozesstag.
Drei Angestellte der Heim-Leitung sollen dafür verantwortlich sein, dass die Bewohner eines Pflegeheims, zum Teil tödlich, an Covid-19 erkrankt sind.
RTL

„Sie haben das Bestmögliche getan!“
So lautet heute die Begründung des Richters bei der Urteilsverkündung. Das Landgericht Hanau hat drei Führungskräfte eines Pflegeheims freigesprochen. Ihnen wurde vorgeworfen, die Bewohner während der Pandemie im Stich gelassen zu haben. 64 von ihnen hatten sich 2020 mit dem Corona-Virus infiziert, 17 starben an der Infektion.
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„Corona kam eben mit Schwung und für alle überraschend“

Es war der bundesweit einzige Fall, in dem alle Bewohner eines Heims an Covid-19 erkrankten. Während der Corona-Pandemie breitete sich auch das Virus in einem Pflegeheim in Großkrotzenburg (Main-Kinzig-Kreis) schnell aus. So schnell, dass sich alle Senioren damit anstecken. Ein Gutachter führt das unter anderem auf die engen Räume des Heims zurück.

Lese-Tipp: Zweiter Prozess um Betrug mit Corona-Tests gestartet

Matthias Kümpel, Anwalt einer Angeklagten, schildert RTL nach dem Prozess: „Wir hatten einen Hygieneprofessor gehört, der hier sehr ausführlich die ganzen Dinge beschrieben hat, die Pflichten und dass diese auch beachtet worden sind, soweit eben möglich, soweit es verfügbar war.“

Im Video: Prozess zu Betrug mit Corona-Soforthilfen

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Der Richter erkennt Notsituation und Belastung der Pflegekräfte an

Der Richter spricht die drei Angestellten des Pflegeheims frei.
Drei Angestellte der Heim-Leitung mussten sich jetzt vor Gericht verantworten.
RTL

Den drei Angeklagten, die ehemalige Einrichtungsleiterin, den Pflegedienstleiter und dessen Stellvertreterin, wurde im Zuge des Prozesses Aussetzung vorgeworfen. Bei diesem eher seltenen Tatvorwurf geht es darum, dass die Opfer in eine hilflose Lage versetzt oder im Stich gelassen wurden, trotz lebensgefährlicher Situation. Davon war die Anklage aber im Laufe des Prozesses abgerückt.

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Beim Urteil heute erklärt der zuständige Richter:„Niemand hätte bei dem Tsunami 2004 in Indonesien die Hotelfachkräfte zur Rechenschaft gezogen“. Bewohner, die teils in Zweibettzimmern leben und dement sind, lassen sich nicht einsperren, heißt es außerdem.

Das Urteil sorgt für Erleichterung bei Pflegekräften

Mit dem Freispruch hoffen Verteidiger Kümpel und seine Mandantin, dass Pflegekräften in Zukunft mehr Verständnis und Respekt entgegengebracht wird. „Dieses Urteil stärkt auch die Pflege und die darin tätigen Menschen, die hier vernünftige Arbeit tun,“ erklärt er nach der Urteilsverkündung. Außerdem sei die Corona-Zeit schlimm gewesen und „alle damit überfordert, nicht nur die Pflege, sondern auch Heimleitung und Heimaufsicht, Gesundheitsämter, Behörden und auch das RKI.“ Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigt sich nach dem Urteil erleichert, sie kritisiert die politischen Verantwortlichen und fordert ein besseres Pflege-Konzept für Notlagen, damit so etwas wie in Großkrotzenburg nicht mehr passiert. (ldo mit dpa)