Erst freiwillig, jetzt doch wieder strengere Regel
Nach Zurückrudern von Lauterbach: Das sagen die Experten zur Quarantänepflicht

Als wäre es nicht schon schwer genug, seit zwei Jahren bei den verschiedenen Corona-Maßnahmen durchzublicken, sorgte Karl Lauterbach (SPD) diese Woche noch einmal mehr für Verwirrung. Nachdem zunächst das Ende der Maskenpflicht beschlossene Sache war, ging es auch der Quarantänepflicht an den Kragen: Der Gesundheitsminister wollte die Pflicht abschaffen und bei einer Infektion nur noch eine Isolations-Empfehlung aussprechen. Doch das entpuppte sich als keine so gute Idee; seine Aussage zog er kurzerhand zurück.
Wie Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht und Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor Hygienezentrum Bioscientia, die Lockerungen und Änderungen aus medizinischer Sicht bewerten.
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Karl Lauterbach zieht Aussage über Ende der Quarantänepflicht zurück
Karl Lauterbach macht eine Rolle rückwärts: Eigentlich war zum 1. Mai geplant, nur noch eine frewillige Corona-Isolation zu empfehlen. Doch soweit soll es nun doch nicht mehr kommen, wie der Gesundheitsminister in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom 05. April ankündigte. Der Grund: Das Signal, dass ein Infizierter selbst über eine Isolation entscheide, sei „so negativ, so verheerend", dass es an diesem Punkt eine Veränderung geben müsse. Der „symbolische Schaden", Corona sei nicht gefährlich, sei so verheerend, dass man diese Isolationsordnung so nicht machen könne. Daher nun die (Beinahe-)180-Grad-Wende.
Kommunikation sorgt - so Dr. Specht - für großes Chaos

Der Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht hat in einem RTL-Interview von 5. April bereits auf die vermeintliche Lockerung der Quarantänepflicht reagiert. Er äußerte sich kritisch gegenüber der „Totalveränderung“. Dass „so massiv der Schalter umgelegt wird und alles quasi von 0 auf 100 passiert", sorge laut ihm für Verunsicherung in der Bevölkerung.
Nun sagt er: „Die Richtung, dass gelockert wird, stimmt zwar, aber das ist natürlich jetzt extrem unglücklich gelaufen. Diejenigen, die sich immer an alles gehalten haben und immer hören, wie gefährlich alles ist, bekommen plötzlich gesagt, dass das am 1. Mai nicht mehr so ist. Sowas sorgt für massives Chaos.“ Er findet die ruckartigen Veränderungen nicht gut, für ihn wäre ein „Ausschleichen“ der Maßnahmen besser gewesen. „Wenn man sagen würde ‘Ja, das Ding ist noch immer gefährlich, aber wir als Bevölkerung können damit zurechtkommen, wenn wir einige Maßnahmen erhalten, wie zum Beispiel das Tragen der Maske in bestimmten Bereichen und durch die Impfung’ – dann wäre das besser gewesen.“
Aber Entwarnung: Dadurch, dass Lauterbach seine Entscheidung wieder zurückgezogen hat, kann man davon ausgehen, dass solch stufenartige Veränderungen in Zukunft ja vielleicht noch kommen werden.
Lockerungen aus medizinischer Sicht jedoch sinnvoll - nur nicht "von 0 auf 100"
Aus medizinischer Sicht blickt Dr. Specht den Lockerungen – ob Maskenpflicht oder gelockerte Quarantäne-Regeln – aber weiterhin gelassen entgegen: „Da hat sich von gestern auf heute nichts geändert. Wir wissen nicht genau, wie die Infektionslage im Mai aussehen wird, aber erwartungsgemäß werden die Zahlen niedriger sein, andere Virus-Varianten werden ebenfalls nicht erwartet." Omikron, so Dr. Specht, spiele zwar weiterhin eine Rolle, aber „es wird nichts Schlimmes passieren."
Trotzdem plädiert er auf eine bessere Übersicht der Lage: „Wir bräuchten eigentlich, begleitend zur Aufhebung der Pflicht und vor allem in Vorbereitung der Maßnahmen im Herbst, eine Übersicht über die aktuelle Immunitätslage der Bevölkerung. Das gibt's hier bei uns in Deutschland noch gar nicht."
Das sagt Dr. Zinn zum vermeintlichen Ende der Quarantänepflicht

Dr. Zinn, Direktor Hygienezentrum Bioscientia, erklärt im RTL-Interview, wieso es gut ist, dass Karl Lauterbach seine Entscheidung zurückgenommen hat: „Diese Entscheidung war absolut notwendig. Wir müssen uns klar sein, dass so eine freiwillige Isolation zu einer großen Menge von zusätzlichen Infektionen führen würde. Man stelle sich nur vor, man geht infiziert ins Großraumbüro oder die Lehrerin geht infiziert in die Klasse – das sind gefährliche Momente. Wir können dem Virus nicht seinen freien Lauf lassen.“
Aber er stimmt Dr. Specht zu und sagt ebenfalls, dass die Bevölkerung letztendlich darunter leide: Das Zurückrudern sei „eigentlich das richtige Signal“ gewesen. „Auch wenn man sagen muss, dass es für die Bevölkerung wieder eine Unsicherheit bedeutet. Erst die eine Entscheidung, die wird dann aber wieder zurückgenommen.“ Dennoch ist der Mediziner sich sicher: Besser jetzt und rechtzeitig und mit einer klaren Vorgabe, dass die Isolation notwendig ist – als nachher ein unkontrollierbare Infektionsgeschehen zu haben.
Denn: Das Coronavirus verursacht weiterhin „eine schwere Erkrankung, wo man nicht jedem Einzelnen die Entscheidung überlässt, ob er sich isoliert oder nicht. Das muss eine klare Vorgabe von den Gesundheitsbehörden sein.“ Aus medizinischer Sicht sei das genauso zu bewerten: „Wir wissen, dass auch asymptomatisch Infizierte hohe Viruslasten haben, das heißt also, dass sie das Virus sehr, sehr schnell weitergeben können. Insofern muss ganz klar sein: Wenn ich positiv getestet bin, habe ich eine gewisse Zeit lang zu Hause zu bleiben und habe das nicht selber zu entscheiden.“
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