Umstände müssen individuell betrachtet werden

Kostenloser Reiserücktritt in der Pandemie? Bundesgerichtshof stellt Kriterien auf

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Was tun, wenn die Corona-Pandemie den Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat? Darüber hat der BGH verhandelt.
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Die Corona-Pandemie hat die Urlaubspläne vieler Menschen platzen lassen. Unzählige Reisen wurden storniert, viele Urlauber haben ihre Buchung zurückgezogen – aber nicht immer geht das ohne finanzielle Verluste. Wann werden Stornogebühren fällig – und wann nicht? Darüber hat der Bundesgerichtshof am Dienstag, den 30. August, gleich in drei Fällen verhandelt. Das Ergebnis: Letztlich kommt es auf die Umstände im Einzelfall an.

Kostenfreier Rücktritt möglich bei "außergewöhnlichen Umständen"

Grundsätzlich haben Pauschalurlauber das Recht, vor Reisebeginn vom Vertrag zurückzutreten. Dem Reiseveranstalter steht allerdings eine „angemessene Entschädigung“ zu – die Stornogebühren. Ein kostenfreier Rücktritt ist im Gesetz nur ausnahmsweise vorgesehen: „wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie ist laut Bundesgerichtshof (BGH) ein solcher außergewöhnlicher Umstand, der zumindest im Sommer 2020 das Potenzial hatte, eine Reise erheblich zu beeinträchtigen. Somit sind Pauschalurlauber in dem Zeitraum durchaus zu einer kostenfreien Stornierung ihrer Reise berechtigt.

Ob sie dem Veranstalter Stornogebühren zahlen müssen, ist aber vom Einzelfall abhängig. Das ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu drei Corona-Fällen, die die Karlsruher Richter und Richterinnen am Dienstag verkündeten.

Um diese Fälle geht es

  1. Ein Kläger hatte für August 2020 eine Ostsee-Kreuzfahrt gebucht und bei einem Gesamtpreis von mehr als 8.000 Euro rund 3.200 Euro angezahlt. Ende März trat er vom Vertrag zurück. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts vor „nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland“. Einige Zeit später, im Juli, sagte der Veranstalter die Kreuzfahrt komplett ab. Von dem Kunden behielt er einen Teil der Anzahlung ein.

  2. Im zweiten Fall wollte eine Über-80-Jährige im Juni 2020 eine Flusskreuzfahrt auf der Donau machen. Da sie schon öfter Probleme mit Lungen- und Bronchialentzündungen hatte, riet ihr die Hausärztin dringend davon ab. Zwei Wochen vor Reisebeginn stornierte die Frau ihre Buchung aus dem Januar. Die Kreuzfahrt fand mit Hygienekonzept statt. Es durften aber nur 100 statt 176 Passagiere an Bord. Hier sollte die Reise ziemlich genau 1.600 Euro kosten. Der Veranstalter verlangt von der Frau 85 Prozent Stornogebühren.

  3. Der dritte Kläger hatte für zwei Erwachsene und ein Kind eine Pauschalreise auf die spanische Ferieninsel Mallorca im Juli 2020 gebucht. Mit Flügen und Halbpension sollte der Urlaub etwas mehr als 3.500 Euro kosten. Anfang Juni erklärte der Mann den Rücktritt. Am selben Tag beschloss das Bundeskabinett das Auslaufen der Reisewarnung zum 14. Juni. Das gebuchte Hotel war zu diesem Zeitpunkt wegen Corona geschlossen. Es machte auch im Juli nicht wieder auf.

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DAS sind die Gerichtsurteile in den drei Fällen

 Symbolfoto am Montag, 03.08.2020, am Strand in Ahlbeck. Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern Tourismus Massentourismus Landschaft Ostseekueste Meer Kueste Landschaftsfoto Landschaftsbild Symboldbild Symbolfoto Symbolphoto symbolisch plakativ Urlaub Ferien Freizeit Urlaubsgebiet erholen Erholung relaxen Ausflug Reisen Reisezeit Urlaubszeit ocean northern Germany Europe holiday holidays Urlauber Landschaft Ostsee Meer Kueste Urlaub Baltic Sea Meer ocean northern north Germany Europe holiday holidays Hauptsaison Buchungen Buchungen Urlauber Touristen Sandstrand Sand Massen Massenansturm Badestrand Baden Sonnenbaden Sonnen Gesundheit Krise Coronakrise Corona Coronavirus Virus Covid Covid-19 Covid19 Covid 19 Coronaepidemie Epedemie Pandemie Corona
Reise ins Wasser gefallen wegen Corona? Ob sie dem Veranstalter Stornogebühren zahlen müssen, ist aber vom Einzelfall abhängig.
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Alle drei Reisen waren Anfang 2020 vor Ausbruch der Pandemie in Europa gebucht worden und hatten im Sommer 2020 stattfinden sollen. Wie die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dienstag zeigen, spielen die Art der Reise, Alter und Vorerkranken der Reisenden eine wichtige Rolle.

  • Für eine Kreuzfahrt bezahlen, die nie stattfand?

Die BGH-Richter neigen dazu, in solchen Fällen auch die nachträgliche Entwicklung zu berücksichtigen. Sie meinen, dass man sich nicht nur den Zeitpunkt des Rücktritts anschauen kann. Für Pauschalreisen gibt es allerdings in einer EU-Richtlinie einheitliche Regeln. Der Senat will deshalb zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu dem Aspekt abwarten. Dort hatten die Karlsruher Richter bereits Anfang August in einem anderen Fall angefragt. Das Verfahren zur Kreuzfahrt wird solange ausgesetzt.

  • Mit Mitte 80 und anfälliger Lunge auf Flusskreuzfahrt?

Die Frau muss nichts bezahlen. Ihr Alter kann zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Denn zum Zeitpunkt der Buchung sei es völlig egal gewesen, in der Pandemie aber plötzlich zum Risikofaktor geworden, sagte Senatsvorsitzende Klaus Bacher. Gleichzeitig habe das zuständige Landgericht zu Recht angenommen, dass das Ansteckungsrisiko wegen der beengten Verhältnisse an Bord deutlich größer gewesen sei als zu Hause. Und es habe noch keine Impfungen und Therapien gegeben. Wichtig: Darauf können sich keine Senioren berufen, die noch nach Ausbruch der Pandemie eine Reise gebucht haben. Hier dürften die Gerichte davon ausgehen, dass sie wussten, worauf sie sich einlassen.

  • Nicht nach Mallorca, weil das Hotel geschlossen ist?

Das geschlossene Hotel allein ist für den BGH kein Grund, dem Mann die Stornogebühren zu erlassen. Bacher sagte, es gebe zwar Fälle, in denen die Auswahl eines ganz bestimmten Hotels für den Urlauber eine besondere Rolle spiele. Davon könne aber nicht generell ausgegangen werden. Hier gab es in derselben Anlage noch ein zweites Hotel einer besseren Kategorie – der Veranstalter hätte also die Möglichkeit gehabt, der Familie eine Alternative anzubieten. Das zuständige Landgericht muss sich den Fall jetzt noch einmal anschauen. Denn aus dem bisherigen Urteil geht auch nicht klar genug hervor, wie sonst die Corona-Lage am Urlaubsort war. (dpa/vdü)