Kommentar zu Afghanistan

RTL-Politikchef: Evakuierungsmission ist ein "grelles Zeichen der Ohnmacht"

von Nikolaus Blome
Diese Bilder werden lange hängen bleiben. Die Bundeswehr muss ihre Rettungsflüge aus Kabul einstellen, Hals über Kopf – genauso wie sie sie begonnen hat. Als der letzte deutsche Flieger abhob, war es nicht mehr und nicht weniger als eine… Flucht. Zurück bleiben vermutlich Tausende von Afghanen und ihre Angehörigen, die für Deutschland gearbeitet haben und allein deswegen um ihr Leben unter den Taliban fürchten müssen.
Die Soldaten vor Ort trifft keine Schuld. Im Gegenteil: Sie haben ihr Leben riskiert, um das anderer zu retten. Aber sie hingen von der ersten bis zur letzten Minute von den Amerikanern ab, die den Flughafen weitgehend allein gegen die Taliban schützen und darum das Sagen dort haben. Dass die Europäer trotz jahrzehntelanger Bemühungen um eine eigenständige Militärstärke das nicht leisten können – auch das ist ein grelles Zeichen der Ohnmacht.
Alle Infos zur Situation in Afghanistan in unserem Liveticker.

Ohnmacht. Scham. Wut.

HANDOUT - 26.08.2021, Afghanistan, Taschkent: Schutzbedürftige Menschen gehen kurz nach dem Flug aus Kabul zu einem Bus. Die Bundeswehr hat ihre Evakuierungsmission für Deutsche und einheimische Ortskräfte in Afghanistan am Donnerstagmorgen fortgesetzt. Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits ACHTUNG: Bei den von der Bundeswehr bereitgestellten Fotos waren Angehörige der Bundeswehr und andere Soldaten bereits gepixelt. Die Pixelung der Zivilisten hat dpa zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte vorgenommen. +++ dpa-Bildfunk +++
Menschen verlassen einen der letzten Evakuierungsflüge der Bundeswehr aus Kabul am Flughafen in Taschkent
pil, dpa, Marc Tessensohn

Bald werden wir die Geschichten der deutschen Soldaten von Kabul hören, und sie werden sich immer auf dieselben Worte reimen: Ohnmacht. Scham. Wut. Ohnmacht im Angesicht einer schier unlösbaren Aufgabe. Scham ob der eigenen Grenzen. Und Wut auf die Politiker und Behörden, die ihnen und vor allem den afghanischen Helfern diesen Einsatz und dieses Ende eingebrockt haben.

Die Bundeskanzlerin verteidigte sich gestern mit den Worten, dass hinterher schlauer zu sein ein Leichtes sei. Das ist von geradezu frivoler Ermattung, das ist eine ziemlich billige Ausflucht, weil man schon vor vier Monaten schlau genug war, öffentlich wie intern auf die Lage der Ortskräfte hinzuweisen – nur richtig gekümmert haben sich die wenigsten in der Bundesregierung. Für dieses Versäumnis, für diese Verantwortungsvergessenheit zahlen die, die nun zurückbleiben. Der letzte deutsche Flieger war ihre vorerst letzte Hoffnung.

+++ Trotz Ausreisegenehmigung – Ahmad J. von Bundeswehr aus dem Flughafen geworfen +++

Nach dem Ende des Afghanistaneinsatzes stellen sich viele grundsätzliche Fragen an die deutsche Außenpolitik und ihre Ansprüche, Ziele oder Fähigkeiten. Keine von ihnen ist aus dem Stand zu beantworten. Aber ein Punkt lässt sich heute festhalten: Das kläglich hastige Ende der Rettung all‘ derer, die gerettet zu werden so sehr verdient hätten, markiert einen der schwärzesten Punkte in der Bilanz dieser Bundesregierung.