„Ich habe für sie das Richtige gemacht. Für mich wäre es schöner, wenn sie noch da wäre.“Es war ihr letzter Wunsch! Enkel gibt Oma Sterbehilfe - Freispruch

Der 34-Jährige steht vor Gericht, weil er seiner Oma dabei half, zu sterben.
RTL Nord

Dabei helfen, dass die eigene Oma stirbt – klingt unbegreiflich! Aber was, wenn sie es sich wünscht?
Weil er seiner kranken Oma ihren letzten Wunsch erfüllt hat, steht ein 34-Jähriger vor Gericht. Das Urteil: Freispruch!
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Die 72-Jährige selbst habe ihm Geld gegeben

Beim Prozessauftakt vor dem Amtsgericht St. Georg am Mittwoch (10. Januar) in Hamburg spricht der Angeklagte von Erlösung und, dass seine Oma es so gewollt habe. Und das angeblich bereits zwei Jahre lang. Davon erzählt habe sie aber nur ihm. Sie hatte demnach eine schwere Lungenkrankheit, habe ein Sauerstoffgerät gebraucht. Außerdem habe sie einen Tumor in der Brust gehabt. „Ich habe gesagt: ,Du schaffst das’“, habe der Angeklagte ihr nach eigener Aussage gesagt. Bis zum Tattag Mitte Juli 2023 hält er sie hin, wie er es formuliert. Einen Tag zuvor legte sie ihm seiner Aussage nach Geld auf den Tisch und soll gesagt haben: „Jetzt besorgst du mir was. Ich will nicht mehr.“

Das steht im Abschiedsbrief der Oma

Gemeinsam sollen er und die 72-Jährige noch im Internet recherchiert haben, wie Heroin wirkt. Sogar die Spritze soll sie selbst bestellt haben. Ihr Abschiedsbrief wird im Gerichtssaal verlesen: Sie schreibt, es sei nicht die Schuld ihres Enkels gewesen. „Ich wollte nicht mehr.“ Zu ihrem Enkel soll sie gesagt haben: „Ich möchte nicht ersticken.“ Demnach habe sie ruhig und ohne Leid einschlafen wollen. Er sagt: „Es ging nicht mehr. Sie konnte nur noch sitzen, hat nur noch vor sich hinvegetiert. Das war kein Leben mehr.“ Der 34-Jährige besorgt Heroin und ein Medikament gegen Angststörungen.

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Im Video: Sterbehilfe - ein umstrittenes Thema

Das sagt der Angeklagte heute

Die Tabletten habe er für sich gekauft, sagt er. Am Tag vor der Tat habe er dann alles auf den Tisch gelegt und sei schlafen gegangen. Doch offenbar nimmt die 72-Jährige das Medikament. Der Angeklagte sagt vor Gericht aus, dass sie am nächsten Tag dann sogar selbst beginnt, sich die Spritze zu setzen. Weil sie zu sehr zitterte, habe er ihr jedoch geholfen. Seiner Aussage nach sei seine Oma sofort weggetreten. Er sagt: „Ich bin panisch durch die Wohnung gelaufen.“ Und weiter: „Ich wusste nicht, was passiert, ich war überfordert.“ Das restliche Heroin spritzt der 34-jährige sich anschließend selbst, erzählt er.

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Als er mehr als 24 Stunden später wieder zu sich kommt, wählt er den Notruf. Doch seine Oma ist tot, gestorben an einer Überdosis. „Sie wollte erlöst werden und ich wollte einfach nicht mehr, dass es ihr schlecht ging.“ Deshalb sitzt der Enkel nun auf der Anklagebank. Der Vorwurf: Tötung auf Verlangen. Doch er wird freigesprochen, weil er nach Ansicht eines Sachverständigen nicht steuerungsfähig war. Bedeutet: Er konnte seine Handlungen nicht mehr steuern. Das Gericht befindet ihn somit für schuldunfähig. Am Prozesstag sagt der 34-Jährige, er hätte Hilfe holen sollen. „Ich habe für sie das Richtige gemacht. Für mich wäre es schöner, wenn sie noch da wäre.“ Und: „Ich möchte einfach nur noch ein normales Leben führen.“

Experte: "Enkel hat die Tötungshandlung durchgeführt"

Anders als in den Niederlanden und in der Schweiz ist das Thema Sterbehilfe in Deutschland umstritten. Seit 2020 gibt es für Betroffene allerdings die Option eines professionell begleiteten Freitods, erklärt Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben im Gespräch mit RTL.

Dabei gebe es einen entscheidenden Unterschied zwischen der professionellen Begleitung und einer Tötung auf Verlangen: „Bei einer Tötung auf Verlangen begeht die dritte Person sozusagen die Tötungshandlung“, erklärt der Experte. „Wie in diesem Fall. Es ist so, dass der Enkel sozusagen die Tötungshandlung durchgeführt hat.“ Bei der Suizidhilfe handle immer die betroffene Person selbst.

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Insgesamt sei es aber schwer, ein Gesetz zur Sterbehilfe auf den Weg zu bringen, meint Elena Moser, Leiterin des ambulanten Hospizdiensts der Johanniter Unfallhilfe in Hamburg. „Wir sehen jemanden, der sehr stark leidet. Und da ist es für uns emotional als Individuum total klar, dass er ein Recht darauf hat, sein Leben zu beenden“, so Moser.

Auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene werde es allerdings kompliziert: „Wenn wir es einem Menschen erlauben, dann müssen wir es allen Menschen erlauben, egal ob sie fünf, 18 oder 60 Jahre alt sind, egal ob sie gesund oder krank sind.“ Das erschwere eine allgemeingültige Regelung.

Hier findest du Hilfe in schwierigen Situationen

Solltest du selbst von Suizidgedanken betroffen sein, suche dir bitte umgehend
Hilfe. Versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde
oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen
über deine Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.
Wenn du schnell Hilfe brauchst, dann findest du unter der kostenlosen Telefon-Hotline
0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die dir Auswege aus schwierigen
Situationen aufzeigen können.