Grünen-Außenpolitiker Nouripour über den Ukraine-Konflikt
„Einfach nur zuschauen, funktioniert nicht“
Omid Nouripour wird am Wochenende an die Spitze der Grünen gewählt. Aber noch ist er einer der profiliertesten Außenpolitiker seiner Partei und muss sich mit dem Ukraine-Konflikt beschäftigen. Dabei verteidigt er die Zurückhaltung der Bundesregierung, was die Lieferung von Militärgerät in die Ukraine angeht. Zugleich rechtfertigt er das Abschreckungspotential der NATO gegenüber der russischen Seite. Die habe leider viel Vertrauen verspielt.
Diplomatie hat Vorrang für Rüstungslieferungen
Im Streit über eine wirksame Unterstützung der Ukraine, die auch die Lieferung von Waffen umfasst, hat Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour die Haltung der Bundesregierung verteidigt. „Eine Korrektur ist aus meiner Sicht nicht notwendig. Es ist absolut vorrangig, dass jetzt Diplomatie gefahren wird“, so Nouripour in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv.
Derzeit gehe es um ein „Gesamtpaket zwischen Dialog und Härte“. Zur Härte gehörten „Preisschilder“, die Auskunft geben, „was denn passieren würde, wenn die russische Seite aggressiv reingeht und weiter die territoriale Souveränität der Ukraine schwächt“, so Nouripour. Diese Balance gelte es zu halten. „Die ganzen teilweise symbolischen Debatten über Rüstungsgüter lenken eher davon ab.“
"...dass auch in der Ukraine die Debatte ein bisschen runter gekocht wird“
In der Diskussion über die angekündigte Lieferung von Militärhelmen in die Ukraine, während sich die Weitergabe von neun ehemals deutschen Haubitzen weiter verzögert, ist Nouripur ebenso ganz auf der Linie der Bundesregierung. „Die Helme sind ja eine Anforderung der ukrainischen Seite und natürlich stehen wir ihnen bei“, so Nouripour. Zu den Artilleriegeschützen aus DDR-Beständen, die über Estland an die Ukraine weitergereicht werden könnten, sofern Deutschland zustimmt, sagte er knapp: „Das wird geprüft.“
Auf die teilweise hämischen Reaktionen in der Ukraine auf die angekündigte Lieferung der Militärhelme, Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach etwa von einem „absoluten Witz“, erwiderte der Grünen-Politiker: „Ich gebe zu, die Debatte dort ist auch aufgrund der Sorgen, die ich sehr nachvollziehen kann, zurzeit sehr, sehr heiß.“ Es sei aber ein Mythos, dass Deutschland die Hilfe von der gesamten NATO blockiere. Das sei falsch. „Deshalb sollten wir alle gemeinsam dazu beitragen, dass auch in der Ukraine die Debatte ein bisschen runter gekocht wird“, so Nouripour.
Russland hat Vertrauen verspielt
Dass verschiedene NATO-Mitgliedsstaaten Truppen nach Osteuropa verlegen, dass die NATO ein großes Militärmanöver im Mittelmeer beginnt, ist für den designierten Parteivorsitzenden aber auch in sich schlüssig. Er räumte ein, dass es dabei gelte, alles zu tun, um Missverständnisse zu vermeiden. Das größere Bedrohungspotential gehe aber von Russland aus. Zumal die russische Seite ebenfalls viele maritime Manöver angekündigt habe. Man müsse bedenken, „dass die letzten sieben, acht Jahre nicht unbedingt ein Beitrag waren, dass das Vertrauen wächst, auch weil wir gesehen haben, dass die russische Seite in drei Nachbarstaaten einmarschiert ist“, so Nouripour.
Daher müsse man die Sicherheitsbedenken von Partnerstaaten sehr ernst nehmen und „zumindest zeigen, dass man wehrhaft ist.“ Es gehe nicht darum, sich jetzt gegeneinander hochzuschaukeln. Darum sei Diplomatie so gefragt. „Aber dass man das einfach nur zuguckt, das wird natürlich nicht funktionieren“, so der Grünen-Politiker.