"Der schlimmste Fehler, den ich je gemacht habe"Abnehmwahn fordert mindestens sieben Todesopfer

Es gibt wohl kaum ein Thema, das die Gesellschaft so sehr spaltet: ein „perfekter“ Körper und das „ideale“ Gewicht. Trotz vieler Aufklärungsversuche existiert nach wie vor die plakative Idealvorstellung von Traummaßen – gerade jetzt, wo der Sommer langsam aber sicher in greifbare Nähe rückt. Während die einen wie Wahnsinnige ins Fitnessstudio rennen, greifen die anderen auf einen tödlichen Trend zurück: Gewichtsreduktionschirurgie im Ausland. Wie gefährlich dieser Trend ist, zeigt jetzt eine Studie der BBC.
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Gewichtsreduktionschirurgie in der Türkei kann tödlich enden
Das Thema Gesundheitstourismus ist längst kein Neues. Schon seit Jahren pilgern Menschen ins Ausland, um sich für möglichst wenig Geld möglichst viel richten zu lassen. Ein besonders beliebtes Ziel ist dabei die Türkei. Hier wird vor allem mit Gewichtsverlusten in Windeseile geworben – und die soll es dann auch noch zu einem Spottpreis geben. Was für viele im ersten Moment verlockend klingt, endet in der Regel mit jahrelangen Folgebehandlungen, etlichen Krankenhausbesuchen, nicht behandelbaren Schäden am Körper und im schlimmsten Fall sogar mit dem Tod. Zu diesem Ergebnis kommt eine jüngst veröffentlichte Studie der BBC.
Im Fokus liegt dabei die sogenannte Gewichtsreduktionschirurgie. Eigentlich handelt es sich hierbei um eine professionelle Behandlung von Adipositas, bei welcher denen an Fettleibigkeit leidenden Personen durch eine Schlauchmagen-Operation bis zu drei Viertel des Magens entfernt werden. Die Magendarmpassage wird bei diesem Eingriff nicht beeinträchtigt, sondern lediglich das Hungergefühl durch die Entfernung des äußeren Teils des Magens und aufgrund des nun kleineren Fassungsvermögens reduziert. Nach der Operation können die Patienten so schrittweise an Gewicht verlieren.
Innere Blutungen nach der Operation
Da man in Ländern wie Deutschland oder Großbritannien teilweise mehrere Jahre auf einen solchen Eingriff warten muss, nehmen viele die zeit- und kostengünstigere Abkürzung über die Türkei. Risiken wie die fehlende Ausbildung der Ärzte oder mangelnde Hygienestandards werden angesichts der vor allem bei Instagram, TikTok und Co. beworbenen Erfolge schnell vergessen. Oft ist es der soziale Druck, der die Betroffenen in die folgenschwere Falle tappen lässt. Wie die BBC berichtet, sind seit 2019 mindestens sieben Briten durch eine solche Behandlung in der Türkei gestorben.
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Einer von ihnen war Joe Thornley. In einem Interview mit der BBC berichteten seine Eltern über den tragischen Vorfall. Mick und seine Frau hätten nichts von den gefährlichen Plänen ihres Sohnes gewusst, bis eines Tages die Polizei an ihrer Tür klingelte und ihnen die schreckliche Nachricht überbrachte. Der behandelnde Arzt verkaufte ihnen einen zu niedrigen Blutdruck und infolgedessen einen Herzinfarkt als Todesursache. Doch nachdem der Leichnam nach Großbritannien überführt worden war, folgte der zweite Schock: Eine Obduktion ergab, dass Joe in Wirklichkeit an inneren Blutungen an der Stelle seiner Operation verstarb. „Wir versuchten, den Arzt zurückzurufen, aber er ging nicht ans Telefon, lehnte E-Mails ab, einfach alles“, sagte Mick im Gespräch mit der BBC.
OP in der Türkei: "Es hat mein Leben ruiniert"

Glück im Unglück hatte Katie (Name geändert) aus Belfast. Nachdem sie über eine Online-Werbeanzeige auf den Vorher-Nachher-Effekt aufmerksam wurde, flog sie 2021 für eine OP in die Türkei. Unmittelbar nach dem Eingriff beklagte sie sich über tierische Schmerzen, doch die Klinik watschte sie mit halbherzigen Antworten ab. Wenige Tage später wurde sie in Großbritannien mit einer Sepsis und einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Knapp ein Jahr verbrachte sie im Krankenhaus, insgesamt erkrankte sie sechsmal an einer Sepsis. In mehreren Operationen mussten ihr die Ärzte den kompletten Magen entfernen, ihren Beruf als Altenpflegerin könne sie deswegen nicht mehr ausüben. „Das ist der schlimmste Fehler, den ich je gemacht habe. Es hat mein Leben ruiniert“, schilderte sie der BBC. Die tatsächliche Operation sei im Übrigen eine komplett andere gewesen, als die, die auf der Online-Plattform beworben wurde.
Es werden Menschen operiert, die nicht operiert werden dürfen
Als wären diese Schilderungen nicht schlimm genug, hat die BBC ein weiteres ärztliches Versagen festgestellt: Demnach würden Menschen in der Türkei zu Operationen zugelassen, obwohl keine medizinische Notwendigkeit bestehe. Während im Vereinigten Königreich ein BMI von 40 oder mehr für eine Operation zur Gewichtsreduktion vonnöten sei, würden 22 Prozent der befragten türkischen Kliniken einen solchen Eingriff bereits ab einem BMI von 24,5 durchführen – und das, obwohl man mit einem BMI zwischen 20 und 25 als gesund gilt. Es geht sogar noch perfider: Einige Kliniken, die eine Behandlung aufgrund des zu geringen BMIs ablehnten, hätten laut Recherchen der BBC ihren Patienten empfohlen, mehr zu essen, um Gewicht zuzulegen und sich dann operieren lassen zu können. Ein solches Verhalten sei laut Dr. Ahmed, führender Chirurg und Mitglied des Rates der britischen Gesellschaft für Fettleibigkeit und metabolische Chirurgie, „rücksichtslos“ und „unethisch“.
Sowohl die britischen Ärzte, als auch Experten aus Deutschland, warnen ausdrücklich vor dem „Abnehmtourismus“. Auch wenn sich auf diesem Weg leicht bis zu mehrere tausend Euro sparen ließen, die Gesundheit und das Leben sollte man deswegen nicht aufs Spiel setzen. (hzi)