"Noch nicht das Ende der Fahnenstange"

Anwohner sollen bis zu 61.000 Euro für Straßensanierung bezahlen - aus eigener Tasche

von Jan Flemming und Daniel Kandora

Kaputte Straßen müssen saniert werden – das versteht wohl jeder. Aber wer zahlt eigentlich dafür? In der Ellerstraße in Osnabrück sollen jetzt die Anwohner in die eigene Tasche greifen. Bei Summen von bis zu 61.000 Euro ist das nicht nur ärgerlich, sondern existenzbedrohend. Was steckt dahinter? Im Video zeigen wir die ganze Geschichte.

Straßenausbaubeiträge für Hausbesitzer

Straßenausbaubeiträge in Deutschland (Stand: 2021). In Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung inzwischen beschlossen.
Straßenausbaubeiträge in Deutschland (Stand: August 2021). In Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung inzwischen beschlossen.
Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

So viel vorweg: Ein einfacher Fehler oder Irrtum steckt nicht hinter dem Fall. Die Idee ist viel mehr, dass Grundstücke an Wert gewinnen, wenn die Straßen saniert werden. Die Ausgestaltung der sogenannten Straßenausbaubeiträge ist dabei Sache der Bundesländer. In vielen Teilen Deutschlands sind sie inzwischen abgeschafft, in Rheinland-Pfalz dagegen müssen die Kommunen die Beiträge sogar von den Hausbesitzern ohne Abstriche erheben. Niedersachsen ist eines mehrerer Länder, in dem wiederum den Kommunen überlassen ist, ob sie die Beiträge erheben oder nicht.

Hannoversch Münden: 200.000 Euro pro Haushalt für neue Straße!

Anwohner des Philosophenwegs in Hannoversch Münden protestieren im Sommer gegen die Straßenausbaubeiträge.
Anwohner des Philosophenwegs in Hannoversch Münden protestieren im Sommer gegen die Straßenausbaubeiträge.
Kamera Zwei

Und weil die Straßenausbaubeitrags-Regelung somit dem viel zitierten Flickenteppich gleicht, gibt es immer wieder Ärger. Erst im Sommer protestieren Bürger aus Hannoversch Münden gegen geplante Summen von unfassbaren 200.000 Euro pro Haushalt für die Sanierung des 1,5 Kilometer langen Philosophenwegs. „Das Geld, das wir hier zahlen müssten für den Straßenausbau, würden wir wahrscheinlich nicht mal mit dem Verkauf des Hauses wieder hier reinkriegen“, sagt eine Anwohnerin damals. Ein Bürger rechnet um, wie lange er arbeiten müsste, um das Geld aufzutreiben: satte 34 Jahre! Aktuell ist noch nicht klar, ob und wie viel die gerade einmal knapp 40 Anlieger am Ende wirklich zahlen müssen.

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Niedersachsen: Entlastungen kaum genutzt

Besonders ärgerlich in Niedersachsen: Seit Oktober 2019 gibt es dank einer Gesetzesnovelle neue Möglichkeiten, die Anwohner zu entlasten – zum Beispiel mit einem höheren Beitragsanteil der Gemeinden oder durch bestimmte Zuschüsse. Laut einer Erhebung vom Bund der Steuerzahler werden diese Möglichkeiten aber kaum genutzt. Auf der anderen Seite steigen die Preise im Straßenbau. „Solche Fälle werden zunehmen“, meint Jan Vermöhlen vom Bund der Steuerzahler im RTL-Interview mit Blick auf den aktuellen Ärger in Osnabrück. Der Streit um die „Strabs“ werde so nie aufhören. Spätestens zur nächsten Landtagswahl, vermutet Vermöhlen, wird die Forderung nach Abschaffung der Beiträge wieder auf die politische Agenda rücken.