Von Leihmutter ausgetragenen Sohn missbraucht: Fünf Jahre Gefängnis für Dennis S.

Wer soll dieses Urteil verstehen? Strafverteidiger versucht, es uns zu erklären

Verteidiger erklärt Urteil
Rechtsanwalt Alexander Stevens
RTL

Ganz Deutschland spricht über dieses Urteil: Dennis S. wurde wegen sexuellen Missbrauchs an seinem Sohn zu fünf Jahren Haft verurteilt. Vielen Menschen ist dieses Urteil zu milde, zumal der Vorwurf im Raum stand, dass der Täter das Kind nur zu dem Zweck zeugte, es sexuell zu missbrauchen. Dies konnte das Gericht nicht beweisen. Warum das Urteil nicht härter ausfallen konnte, erklärt Rechtsanwalt Dr. Alexander Stevens.

Sicher ist, dass es "einfacher" Missbrauch war

Dass Dennis S. sein Kind mehrfach sexuell missbraucht hat, ist zweifelsfrei bewiesen. Sechs Videos belegen den sexuellen Missbrauch. Was genau auf dem Video zu sehen ist, ist nicht bekannt.

Sicher ist aber, dass es sich um einen sogenannten einfachen, also keinen schweren sexuellen Missbrauch gehandelt haben muss. Das wiederum erklärt das vermeintlich milde Urteil von „nur“ fünf Jahren. Denn für den „einfachen“ sexuellen Missbrauch sieht das Gesetz lediglich einen Strafrahmen von einem bis zehn Jahren vor, für den „schweren“ sexuellen Missbrauch hingegen zwei bis 15 Jahre.

Juristen unterscheiden zwischen „einfachem“ und schwerem sexuellen Missbrauch

Von „schwerem“ sexuellem Missbrauch spricht der Jurist, wenn Geschlechtsverkehr zwischen Kindern und Erwachsenen stattfindet oder ein Gutachter feststellt, dass dem Opfer wegen der Missbrauchshandlung schwere gesundheitliche, körperliche oder seelische Schäden erwachsen.

Beim „einfachem“ sexuellen Missbrauch geht es – ganz wertungsfrei gesprochen – um deutlich „leichtere“ Fälle wie etwa das Vorzeigen von Pornographie, sexuell anstößige Internetchats, körperliche Berührungen wie Streicheln, Anfassen (also ohne Eindringen in den Körper) oder auch Sex zwischen Jugendlichen und Kindern.

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Auf den Unterschied kommt es an

Das macht die Sache natürlich nicht besser, aber eben einen Unterschied, ob jemand den Geschlechtsverkehr mit einem Kind ausübt oder es eben „nur“ über Po oder im Geschlechtsbereich streichelt. Denn es muss sich im Strafrahmen und auch bei der Bemessung der konkreten Strafe niederschlagen, wie schwer die jeweiligen Missbrauchshandlungen waren.

Hier kann nichts anderes gelten als bei Mord, Totschlag oder Körperverletzung: Schießen Sie jemandem in den Kopf, bekommen Sie dafür – je nach Motiv – bis zu 15 Jahre oder lebenslänglich Gefängnis. Schießen Sie jemandem hingegen „nur“ ins Bein, sind es maximal zehn Jahre Knast.

Schuld sind die Gesetze, nicht die Gerichte

Die Statue der Justitia
Ein Gericht kann keine höheren Strafen verhängen, als es das Gesetz zulässt.
deutsche presse agentur

Wer sich darüber aufregt, dass die Strafen bei Kindsmissbrauch zu niedrig sind, muss sich an die Politik und nicht die Gerichte wenden. Wenn das Gesetz für den „einfachen“ sexuellen Missbrauch nur bis zu zehn Jahren vorsieht, dann kann ein Gericht nicht 15 oder 20 Jahre verhängen. Gerichte sind schließlich an das Gesetz gebunden.

Ein Gericht kann auch nicht stets die Maximalstrafe von zehn Jahren aussprechen. Denn bei der Strafzumessung muss ein Richter der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung tragen. Wenn jemand ein Kind einmal sexuell missbraucht, muss er demnach weniger Strafe bekommen als ein Täter, der zwei Kinder sexuell missbraucht. Ein Täter, der einem Kind „nur“ über den nackten Po streichelt, muss eine niedrigere Strafe bekommen als einer, der die Geschlechtsorgane anfasst und manipuliert.

Richter müssen viele Faktoren berücksichtigen

Daher sind dem Richter erhebliche Grenzen gesteckt. Er muss die Tat im Rahmen vergleichbarer Taten einordnen und viele Punkte berücksichtigen:

  • Gibt es denkbar schwerere oder leichtere Begehungsformen?

  • Was waren die Beweggründe und die Ziele des Täters?

  • die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille

  • das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat

  • das Vorleben des Täters

  • seine persönlichen Verhältnisse

  • sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen

Das klingt alles sehr rational und nüchtern, aber ist im Ergebnis genau das, was sich die Gesellschaft von einem Rechtsstaat erwartet: Bindung vom Staat an Recht und Gesetz, frei von subjektiven Moralvorstellungen und gesellschaftspolitischem Druck.

Über den Autor

Dr. Alexander Stevens ist promovierter Jurist, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Der Strafverteidiger aus München vertritt sowohl Täter als auch Opfer vor Gericht. Stevens ist Autor mehrerer Bücher.