Schokodrops mit Alkohol und Schlafmittel präpariert
Zehn Jungen betäubt und vergewaltigt: Prozessauftakt gegen Ex-Jugendtrainer
Er soll zwischen 2014 und 2021 zehn Jungen zwischen 10 und 17 Jahren mit Alkohol oder Schlafmittel betäubt und sie anschließend missbraucht haben – und er arbeitete als Jugendtrainer in einem Fußballclub. An diesem Freitag (23.09.) beginnt in Frankfurt der Prozess gegen den 35-jährigen Sven B., ehemals Jugend-Fußballtrainer beim SV Wehen Wiesbaden. Ermittler hatten im Oktober 2021 im Spind des Angeklagten ein Handy sichergestellt – mit Videos, die die Vergewaltigungen von sieben Jungen zeigen sollen.
Anwältin der Nebenklage: Dieser Prozess wühlt das Ganze wieder auf
Die Anklagepunkte, die im Raum stehen: Vorwurf der Vergewaltigung, des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Nötigung Minderjähriger. Ein 16-Jähriger Junge soll rund 50 Mal von dem Ex-Jugendtrainer vergewaltigt worden sein. Seit Dezember sitzt er in Untersuchungshaft. Nach seiner Verhaftung soll es einen Brandanschlag auf die Familie von Sven B. gegeben haben.
Rechtsanwältin Gabriele Lehnert vertritt eines der Opfer: „Es scheint ihm relativ gut zu gehen, er ist allerdings auch in psychologischer Betreuung. Und dann muss man abwarten. Dieser Prozess wühlt das Ganze auch wieder auf. Da muss man sehen, wie er das dann wieder verarbeitet. Das wird mit Sicherheit noch eine Weile dauern.“

Rechtsanwältin: Videos muss ich mir nicht zweimal anschauen!
Rechtsanwältin Lehnert hat sich die Videos, die bei dem Angeklagten gefunden wurden und die Vergewaltigung mehrerer Jungen zeigen sollen, vor dem Prozess nicht angeschaut: „Wenn die hier im Prozess gezeigt werden: Das reicht mir dann auch einmal. Das muss ich nicht zweimal sehen.“
Auch Rechtsanwältin Barbara Sauer-Kopic vertritt eines der Opfer – an diesem Prozess schockt sie aber vor allem eine Sache: „Missbrauch ist nie schön – aber was hier wirklich aus dem Rahmen fällt ist dieses perfide Vorbereiten und die Art und Weise wie die Jugendlichen da unter Druck gesetzt wurden. Das fand ich schon sehr extrem, sehr böse.“
Laut „Bild“-Informationen soll Sven B. die Jungen per Whatsapp oder Snapchat kontaktiert und sich dabei als fiktive Person ausgegeben haben. Gegenüber den Jungen soll er unter anderem behauptet haben, sie müssten für einen Angriff auf seinen Cousin „büßen“. Ihnen könnte aber nur einer helfen: Sven B. Der Angeklagte soll die Jungen in seiner Wohnung mit Schokodrops, die er zuvor mit Alkohol und Schlafmittel versetzt hatte, betäubt und sich dann an ihnen vergangen haben.
Zum Schutz der Opfer: Öffentlichkeit wird ausgeschlossen!
Barbara Sauer-Kopic hat auch einen Antrag gestellt, die Öffentlichkeit von dem Prozessauftakt auszuschließen: „Es geht hier um sehr intime Dinge und mein Mandat war ohnehin noch sehr jung. Es ist für ihn einfach unangenehm, dass diese Details und auch sein Name in der Öffentlichkeit bekannt werden. Gerade unter Jugendliche ist es dann doch so, dass mit dem Finger aufeinander gezeigt wird.“
RTL-Reporter vor Ort: Mutter eines Opfers verlässt weinend den Saal

RTL-Reporter Felix Breiner ist zum Prozessauftakt in Frankfurt dabei. Die Stimmung im Gerichtssaal beschreibt er als bedrückend. Allerdings wirkte der Angeklagte auf ihn sehr interessiert, die Anklageschrift liest er immer wieder selbst mit.
Angehörige der Opfer sind ebenfalls im Saal, eine Mutter muss die Verhandlung allerdings frühzeitig verlassen, weil sie anfängt zu weinen. Auch der Vater eines Opfer erlebt den Prozessauftakt mit. Er schüttelt immer wieder fassungslos den Kopf und murmelt Beschimpfungen vor sich hin.
Jugendspieler des SV Wehen Wiesbaden nicht unter den Opfern
Der Fußball-Club SV Wehen Wiesbaden zeigte sich nach der Festnahme des Jugendtrainers bestürzt. Man habe den Trainer nach Bekanntwerden der Vorwürfe "sofort freigestellt und dann fristlos entlassen“. Jugendspieler des SV Wehen Wiesbaden sollen nicht unter den Opfern gewesen sein.
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War Angeklagter bereits vorbestraft?

Laut der beiden Rechtsanwältinnen soll der Angeklagte anscheinend bereits Einträge in seinem polizeilichen Führungszeugnis haben. Weitere Angaben wollten sie aufgrund des laufenden Verfahrens nicht machen.
Diese Einträge hätten eigentlich spätestens bei dem Erwerb einer Trainer-Lizenz von Sven B. eine Rolle spielen müssen. Denn laut der Ausbildungsordnung des Deutschen Fußball Bundes muss für den Erwerb einer Trainer-Lizenz ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden. Auf RTL-Nachfrage bestätigte der DFB diesen Vorgang, die DFB-Fachabteilung würde entsprechende Unterlagen der Teilnehmer prüfen. Warum Sven B. trotzdem eine Lizenz erhielt und weshalb er vorbestraft war, beantwortete der DFB nicht.
Die Jugendstrafkammer steht vor einer ausgedehnten Beweisaufnahme mit vorerst zwölf Verhandlungstagen bis Ende November. Dominik Dertscheny von der Staatsanwaltschaft Frankfurt nannte den Prozess ein „Verfahren von enormer Bedeutung“. Den Angeklagten könnte eine Freiheitsstrafe von 2 bis 15 Jahren erwarten.
„Wenn sich das alles so als wahr herausstellen sollte – wir gehen ja immer noch von der Unschuldsvermutung aus, das muss auch ich als Nebenklägerin machen. Wenn er verurteilt wird, hoffen auch meine Mandaten, dass dann auch die Sicherungsverwahrung ausgesprochen wird, damit sowas nicht nochmal passiert“, so Rechtsanwältin Gabriele Lehnert. (dpa/fbr/apo/dgö)