Ein Halbzeitfazit nach elf RennenDie Tops und Flops der bisherigen Formel-1-Saison

Was Halbes, aber noch nichts Ganzes. Das ist die laufende Formel 1 nur im Hinblick auf den Rennkalender, in dem nun elf von insgesamt 22 Rennen absolviert wurden. In einer actiongeladenen WM gab es im bisherigen Saisonverlauf sowohl Sieger als auch Verlierer. Und diese lassen sich nicht unbedingt immer nur aus der Ergebnisliste ablesen.
Top: Charles Leclerc
Im vergangenen Jahr wurde der Ferrari-Kronprinz überraschenderweise des Öfteren von Neu-Teamkollege Carlos Sainz in Bedrängnis gebracht. 2022 sind die Kräfteverhältnisse klargestellt. Leclerc lässt seinen spanischen Stallgefährten teilweise wie einen Schuljungen aussehen, was bei Sainz zu einer Vielzahl von Patzern geführt hat.
Doch nicht nur teamintern steht der Monegasse seinen Mann, er bäumt sich zudem heldenhaft gegen das nach kleinen Anlaufschwierigkeiten übermächtig erscheinende Duo Max Verstappen und Red Bull auf. Der Abstand in der WM ist mit 38 Punkten zwar schon deutlich, doch immer wieder beweist Leclerc sein Löwenherz und holt alles aus seinem Ferrari heraus. Speziell im Qualifying zeigt der 24-Jährige, dass er auf eine Runde der momentan schnellste Fahrer im Feld ist.

Flop: Daniel Ricciardo und McLaren
Was ist denn nur mit dem Honigdachs los? Bereits 2021 hatte Daniel Ricciardo große Probleme, mit Lando Norris mitzuhalten. Darüber täuschte auch der recht glücklich zustande gekommene Sieg in Monza nicht hinweg. 2022 bleibt es das gleiche Bild, was für die Ansprüche des achtmaligen GP-Siegers und Arbeitgeber McLaren einfach zu wenig ist. Nicht umsonst werden trotz bestehenden Kontrakts für 2023 immer wieder Gerüchte laut, dass der 33-Jährige ersetzt wird.
Ricciardos Team glänzt aber ebenfalls nicht durch Leistung. Für McLaren war das neue Reglement die große Chance, den Weg zurück an die Weltspitze zu vollenden. Stattdessen fiel der Rennstall aus Woking zurück auf das Niveau von 2019 und muss nun sogar bangen, von Alpine in der Konstrukteurswertung Rang vier abgeluchst zu bekommen. Eine echte Enttäuschung nach den verheißungsvollen Jahren zuletzt.
Geht so: Mick Schumacher und Sebastian Vettel
Was soll man bei Sebastian Vettel sagen? Ein verkorkster Start mit einer Corona-Infektion, danach zum Auftakt viele Fehler und eine furchtbar langsame grüne Gurke namens Aston Martin als Untersatz, für die das Wort „Flop“ noch eine zu nette Formulierung wäre. Immerhin hat sich der Ex-Weltmeister nach dem Horror-Start gefangen und zeigte in Imola und Baku, dass er an guten Tagen immer noch ein Topfahrer ist. Nur gibt es diese Momente leider zu selten.
Bis vor wenigen Wochen stand unter Mick Schumacher noch ein dickes, fettes FLOP. Doch dann kam Silverstone und der enorm unter Druck stehende Deutsche lieferte seine ersten Punkte. In Österreich nochmal eine Steigerung, die ihm im Rennen die Ernennung zum Fahrer des Tages einbrachte. Wenn es so weitergeht, kann am Saisonende ein klares TOP vor seinem Namen stehen. Das wäre typisch Mick-Schumacher-Style.

Top: Mercedes und George Russell
Das kommt jetzt etwas überraschend, oder? Ein Weltmeisterteam, das nicht um den Titel kämpfen kann. Aber nicht so voreilig. Ja, der 2022er-Mercedes besitzt nicht das Potential, Lewis Hamilton oder George Russell zum Champion zu machen. Doch was das Team aus dem vorhandenen Material herausholt, ist sehr wohl weltmeisterlich. In den letzten vier Rennen hat die Mannschaft aus Brackley genauso viele Punkte wie Ferrari geholt, obwohl der Silberpfeil nicht ansatzweise so konkurrenzfähig ist wie das springende Pferd der Scuderia. Doch Mercedes beweist: Zuverlässigkeit ist der Schlüssel.
Diese Aussage trifft ebenfalls auf Neuankömmling George Russell zu, der aus dem Stand ein ebenbürtiger Gegner für Lewis Hamilton ist. Fragen Sie mal bei Valtteri Bottas und Nico Rosberg nach, wie schwierig das ist. Bis auf seinen unverschuldeten Crash in Silverstone fuhr der 24-Jährige in jedem Rennen als Fünfter oder besser ins Ziel. Diese Konstanz lässt Russell in der WM auf Rang fünf und damit vor Lewis Hamilton stehen.

Flop: Ferrari und Carlos Sainz
Da baut Ferrari mal wieder ein Auto, dass Potential für einen Titel hat, und das Team vermasselt es dann am Kommandostand. Charles Leclerc kann einem echt Leid tun. Die Entscheidungen in Monaco und Silverstone waren nur schwer zu ertragen und brachten den Monegassen um zwei sicher geglaubte Siege. Die beiden Motorenprobleme in Spanien und Aserbaidschan taten ihr Übriges und so muss Leclerc auf Fehler von Red Bull hoffen, um nochmal vollends ins Titelrennen eintauchen zu können. Ferrari scheint momentan allerdings nicht titelfähig.
Keine echte Hilfe ist bisher Carlos Sainz, der sich nach seinem hervorragenden Einstand 2021 in diesem Jahr extrem mühen muss, den Ferrari schnell zu bewegen. Das führte zu vielen kostspieligen Patzern. Wenn es bei Leclerc mal schief lief, konnte Sainz bisher nicht als Retter einspringen, um Max Verstappen Punkte wegzunehmen.
Top: Fernando Alonso

Der WM-Stand mag es vielleicht nicht so widerspiegeln, aber der bald 41 Jahre alte Maestro fährt weiterhin auf einem unglaublichen Niveau. Gerade im Rennen legt Alonso eine Intelligenz an den Tag, die unübertroffen ist und von dem seine allesamt jüngeren Konkurrenten noch lernen können. In Spielberg vertuschte der Spanier zum Beispiel durch clevere Ansagen am Funk ein nicht ordentlich montiertes Rad. So kam er direkt erneut zum Boxenstopp, wich einer Strafe aus und holte trotz Startplatz 19 noch einen Punkt.
Alonsos Zukunft ist noch nicht endgültig geklärt, weil Supertalent Oscar Piastri auf einen Sitz im Alpine drängt. Doch die Franzosen wären sicher gut beraten, Piastri bei einem Hinterbänklerteam wie Williams zu parken und noch mindestens ein weiteres Jahr von der Erfahrung und dem Speed von Alonso zu zehren.