Wäre, wäre, Unterboden
So viel Zeit verlor Lewis Hamilton durch den Schaden in Spielberg

Von Alessa-Luisa Naujoks
Am Ende war es wieder mal eins: Schadensbegrenzung. Es roch für Lewis Hamilton nach Platz zwei in Österreich, obwohl das Qualifying am Samstag (Platz vier) doch nur mehr als bescheiden lief. Es wäre ein Podium gewesen. Der minimale Punkteverlust im Vergleich zu Spielberg-Dominator Max Verstappen. Und ein Zeichen an die Konkurrenz. Aber: Wäre, wäre, Unterboden. Denn genau dieser Schaden ließ sich nicht begrenzen und machte Hamilton einen Strich durch die Rechnung.
Hamilton: Schaden kostete ihn eine Welt pro Runde
Mercedes-Boss Toto Wolff machte nach dem Rennen kein Geheimnis aus dem Ausmaß des Schadens am Unterboden vom Wagen mit der Nummer 44: „Lewis verlor mindestens eine halbe Sekunde pro Runde auf seine normalen Zeiten.“ Mindestens. Auf einer so kurzen Runde wie in Spielberg ist das nicht weniger als eine Welt. Wolff: „Lewis trifft keine Schuld.“
Hamilton ist „nicht mehr über die Randsteine gefahren wie die anderen", wie der Brite seine Taktik erklärte, um einen größeren Schaden zu vermeiden. Allein in den beiden schnellen Rechtskurven vor Start-und-Ziel eine Katastrophe. Doch die Tatsache, dass ein Stück des Unterbodens vor dem linken Hinterrad weggebrochen war, ließ nichts anderes zu, um immerhin Rang vier zu retten.
Mercedes: Unterbodenschaden hatte Einfluss auf Reifen
Wolff sprach von 30 Abtriebspunkten, die der Weltmeister verlor. „Ich spürte das Heck nicht mehr und habe vor allem in den schnellen Kurven Zeit liegengelassen“, so Hamilton. Und noch eine Folge hatte sein Defekt: Die harten Pneus auf der Hinterachse mussten gehörig leiden, die Lebensdauer der Reifen war damit kürzer als erwartet. Hamilton funkte, dass er nicht glaube, dass er es damit bis zum Ende schaffen würde.
„Als Folge des Aerodynamikschadens bauten die Reifen bei Lewis immer stärker ab. Uns war klar, dass wir ihn ein zweites Mal an die Box holen müssen“, hieß es in der Mercedes-Analyse. Die Erklärung für die Stallorder zugunsten von Bottas: „Also musste Valtteri so schnell wie möglich vorbei, um keine Zeit auf Norris zu verlieren. Priorität hatte es, den zweiten Platz abzusichern.“
Im VIDEO: Wolff und Hamilton scherzen über Vertragsverlängerung
Glock: „Ihn darf man nicht abschreiben“
Jenen zweiten Platz, den Hamilton so gut im WM-Kampf gegen Verstappen hätte gebrauchen können. So waren es statt der erhofften 18 Zähler für P2 dann doch „nur“ zwölf Punkte. Und so liegt der Champion vor seinem Heimrennen in Silverstone 32 Punkte hinter dem Spitzenreiter im Red Bull.
Und trotzdem: Wer glaubt, das Duell um den Titel sei schon entschieden, der sollte nicht zu voreilig sein. „Angeschlagen“ war der Brite schon oft für Überraschungen gut. Hamilton hat jene Gabe, die sich Sportler bei Rückschlägen doch immer so sehr wünschen: stärker zurückzukommen als zuvor.
„Ihn darf man nicht abschreiben, da muss man vorsichtig sein. Hamilton und Mercedes werden sich auf keinen Fall so schnell geschlagen geben", meint auch Experte Timo Glock bei Sky. Und welcher Ort, wenn nicht Silverstone, wäre perfekt für einen Mercedes-Fingerzeig in Richtung Red Bull nach dem Motto: „Hallo, wir leben noch!“
Hamilton: Neues Ziel bis zur Sommerpause?
Denn dass der Mercedes-Motor nicht das Problem zu sein scheint, hat Lando Norris in Österreich eindrucksvoll bewiesen. Er war im Qualifying in seinem McLaren mit deutschem Antrieb nur 48 Tausendstel hinter Verstappen gelandet.
Mercedes braucht also ein Aerodynamik-Update. Oder am besten gleich mehrere, wie Hamilton betont. „Wir sind Meilen von ihnen entfernt“, stapelt der Mercedes-Star tief. „Wir haben sehr viel Arbeit vor uns.“ Aber wenn ein Team diese Herausforderung meistern kann, dann Mercedes. Kommt dazu noch der unbeschreibliche Hamilton-Faktor, kommt auch wieder Feuer ins Rennen um Rang eins. Andererseits weiß nicht nur Glock: „Wenn Verstappen und Red Bull es schaffen, diesen Vorsprung die nächsten zwei bis drei Rennen auszubauen, dann ist die Chance auf den Titel definitiv da.“
Zwei Rennen sind es noch bis zur Sommerpause (Silverstone und Ungarn). Eigentlich wollte Hamilton bis dahin ja seinen neuen Vertrag unterzeichnen. Weil die Tinte aber schon trocken ist, könnte er ein neues Ziel ausgeben: Bis dahin seinen Rückstand auf Verstappen bei zwei Siegen um mindestens 14 Zähler zu verringern.
Klar ist aber auch: So entspannt die Vertragsverhandlungen gewesen sein mögen, der Kampf auf der Strecke gegen Red Bull wird um einiges härter.