Das perfide Spiel mit der Angst
"Ihr Kind hatte einen Unfall!" Wie Betrüger Eltern mit Schockanrufen um ihr Geld bringen
von Anna Kriller
„Ihr Kind hatte einen Unfall!“
Als Udo K. (72) diesen Satz am Telefon hört, bekommt er einen riesigen Schreck. Eine unbekannte Nummer hat ihn auf dem Festnetztelefon angerufen, erklärt ihm in gebrochenem Deutsch, dass sein Kind den 72-Jährigen als Kontakt in Notfällen angegeben hätte. Er fühlt sich geschmeichelt, gleichzeitig ist die Sorge groß. Denn zwar hatten er und seine Frau am Morgen noch Kontakt zur 200 Kilometer entfernt wohnenden Tochter (33), doch das war bereits einige Stunden her. Der Anrufer fängt an, Fragen zu stellen und Daten abzugleichen. Doch eine Frage macht Udo K. misstrauisch. Zum Glück – denn hinter dem Anruf steckt eine perfide Betrugsmasche.
Das Spiel mit der Angst der Eltern
Der Anruf sitzt Udo K. aus Rheinland-Pfalz immer noch in den Knochen. Die Sorge, dass dem eigenen Kind etwas passieren könnte oder es in Schwierigkeiten steckt, ist bei Eltern tief verankert. Genau darauf zielen die Täter ab.
„Die sogenannten ‘Schockanrufe’ bezwecken – wie der Name schon sagt – einen Schockzustand beim Gegenüber hervorzurufen, um sodann unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Vermögensschaden bei den Opfern zu bewirken“, erklärt Andrea Steinbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auf RTL-Nachfrage.
Lese-Tipp: Achtung, gefährliche Betrugsmasche! Wie Sie auf die Fake-Anrufe von Europol reagieren
Wie die Täter vorgehen
Die Täter, die aus Call-Centern im Ausland agieren, gehen dabei geschickt, penetrant und facettenreich vor, weiß Pascal Widder vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. Bei den Geschichten, die den Betroffenen erzählt werden, handelt es sich in der Regel um Notlagen von Familienmitgliedern.
Die Täter geben sich als Vertrauenspersonen, Polizeibeamte, Staatsanwälte oder Ärzte aus, die die vorwiegend älteren Opfer beispielsweise über den Unfall des Kindes informieren wollen, bei dem jemand verletzt oder sogar verstorben sei. Manchmal hört man zusätzlich im Hintergrund eine weinende Stimme, die „Mama, Mama“ ruft und um Hilfe fleht.
„Je emotionaler die Masche, desto erfolgreicher der Betrug“, erklärt Steinbach. Auch ein Krankenhausaufenthalt des Kindes kann Inhalt der Schockanrufe sein. Anschließend wird Geld gefordert – für lebensnotwendige Medikamente oder eine zu zahlende Kaution. Laut Bundeskriminalamt gehen die Forderungen teilweise bis zu 100.000 Euro.
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Woran erkennt man Betrugsanrufe?
Liest man von Warnungen vor solchen Betrugsmaschen, glauben die meisten vermutlich, niemals darauf hereinzufallen. In der Situation der Angst um das eigene Kind schaltet sich der Verstand aber nicht selten aus. Wie erkennt man also solche Betrugsmaschen?
Meist geben sich die Täter als Polizei, Staatsanwaltschaft oder eine andere Behörde aus und täuschen den Opfern dubiose erfundene Geschichten vor, um an die Beute zu kommen. Die Vorschläge der Anrufer sind dabei meistens völlig unrealistisch, erklärt Andrea Steinbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
- So würde eine „echte“ Strafverfolgungsbehörde nie Geld verlangen, wenn eine Person in einen Unfall verwickelt sei.
- Ein weiteres Indiz: Die Täter wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Opfer jemand anderen kontaktieren wie beispielsweise Angehörige oder die Polizei. Der Grund dahinter: Die Masche würde ansonsten aufliegen. Die Opfer werden darum oft stundenlang am Telefon gehalten, bis ein sogenannter „Geldabholer“ zum Wohnortes vom Opfer kommt, beschreibt das LKA das Vorgehen.
Diese Frage enttarnte den Fake-Anrufer
Auch Udo K. wollte der Anrufer am Telefon halten; fragte ihn nach seinem vollen Namen und seiner Adresse. Skeptisch wurde der 72-Jährige aber, als der Anrufer nach dem Namen seines Kindes fragte – denn den müsste er bei der geschilderten Unfall-Situation bereits kennen.
Udo K. legt schließlich auf. Doch etwa zwei bis drei Prozent der Menschen, die angerufen werden, fallen auf den Betrug herein, weiß Frauke Hannes vom Landeskriminalamt Hamburg. Allerdings sei die Dunkelziffer hoch, da nicht alle Opfer den Betrugsanruf melden – selbst wenn sie darauf hereingefallen sind.
Im Video: LKA warnt vor dreisten Schockanrufen - so schützen Sie sich
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Wie sollten sich Opfer im Falle eines Schockanrufes verhalten?
Das Polizei rät bei verdächtigen Anrufen:
- Reagieren Sie mit einem gesunden Argwohn, Vorsicht und Umsicht auf Anrufe, bei denen Sie nicht sicher sind, ob diese seriös sind.
- Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.
- Geben Sie keine Daten weiter und stimmen Sie keiner Installation und Nutzung unbekannter Software zu.
- Sprechen Sie am Telefon nie über Ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse.
- Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen an unbekannte Personen.
- Legen Sie bei verdächtigen Anrufen auf und gehen Sie nicht auf den Täter ein.
- Lassen Sie sich von der Polizei in Ihrer Nähe oder über den Notruf 110 beraten, wenn Sie nicht sicher sind, ob es sich wirklich um einen Betrug handelt.
- Ziehen Sie eine Vertrauensperson hinzu.
- Überprüfen Sie die Angaben, die der Anrufer macht und kontaktieren Sie den Angehörigen, dem etwas passiert sein soll, unter der Ihnen bekannten Nummer an.
- Bedenken Sie: Die Polizei oder andere Amtspersonen fordern von Ihnen kein Geld am Telefon und niemals ist die Behandlung eines Unfallopfers von einer vorherigen Zahlung eines Geldbetrages abhängig.
Sie sind Opfer geworden? Betroffene von betrügerischen Anrufen können sich bei Bedarf zusätzlich an Opferberatungsstellen wie beispielsweise den Verein „Weisser Ring“ wenden, rät das BKA.
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