Rechtsexperte schätzt ein

Fall Archie Battersbee: Können die Eltern das Urteil noch einmal anfechten?

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Wie geht es im Fall Archie Battersbee weiter?

von Vera Dünnwald

Müssen sich die Eltern von Archie Battersbee jetzt endgültig geschlagen geben? Das Berufungsgericht verweigerte Hollie Dance und Paul Battersbee am Mittwoch (27. Juli) die Erlaubnis, den tragischen Fall des hirntoten 12-Jährigen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorzubringen. Kann die Familie dieses Urteil noch anfechten? Promi-Rechtsanwalt für britisches Recht Paul Vogel klärt im Gespräch mit RTL auf.

Nach Einschätzung der Ärzte und Gerichtsurteilen: Rechtsanwalt sieht "keine Erfolgsaussichten mehr"

Sowohl der High Court als auch der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs („Supreme Court“) stimmten der Entscheidung der Ärzte zu, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen des Jungen eingestellt werden dürfen. Archie Battersbee liegt seit dem 7. April im Koma und wird nur noch mechanisch beatmet. Die Ärzte des Royal London Hospitals machten deutlich, dass man nichts mehr für den Jungen tun könne, da sein Hirnstamm zu stark beeinträchtigt sei. Man könne keine Aktivität mehr feststellen, weswegen er „sehr wahrscheinlich“ hirntot ist.

Archies Eltern, Hollie Dance und Paul Battersbee, wollen jedoch nicht zulassen, dass die Ärzte die Maschinen abstellen und kämpfen seitdem um das Leben ihres Sohnes. Ihre letzte Chance: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Doch eine Vorstellung des Falls wurde ihnen verweigert, wie die „Sun“ berichtet.

Wie geht es jetzt weiter? Kann die Familie noch einmal versuchen, das Urteil anzufechten? Der Rechtsanwalt Paul Vogel, Experte für britisches Recht, erklärt im RTL-Interview: „In England sehe ich leider keine Erfolgsaussichten mehr. Die Richter des Supreme Court haben die Einstellung der Maßnahmen bestätigt und die Aussage der Ärzte ist ebenfalls leider eindeutig.“

Kann der Europäische Gerichtshof weiterhelfen?

Rein theoretisch könne jede Person beim Europäischen Gerichtshof Beschwerde einreichen: „Wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, werden Fälle oft zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen.“ Man müsse nur geltend machen, Opfer einer Menschenrechtsverletzung geworden zu sein. Vogel erklärt: „Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind.“

Dadurch, dass bereits abgelehnt wurde, dass Archie Battersbees Eltern, Hollie Dance und Paul Battersbee, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringen, stehen die Chancen schlecht, dass sich hier noch etwas tut: „Reicht man die Beschwerde bezüglich des gleichen Sachverhaltes mehrfach ein, wird der Europäische Gerichtshof üblicherweise darauf verweisen, dass es bereits zu einer Entscheidung gekommen ist.“

Sollte sich das Blatt überraschend wenden und Dance und Battersbee dürfen doch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, seien die Erfolgsaussichten jedoch ebenfalls minimal: „Die Chance, dass die Eltern Erfolg haben werden, schätze ich vor allem wegen der ärztlichen Positionierung, dass das Kind bereits hirntot ist, für gering ein.“

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Was ist mit Archie Battersbee passiert?

Warum genau Archie Battersbee überhaupt ins Koma gefallen ist, weiß niemand genau. Am 7. April fand ihn seine Mutter mit einer Binde um den Hals. Sie vermutet, dass der Junge an einer trendenden Online-Challenge teilgenommen und sich – vielleicht unbewusst – selbst verletzt habe.

Die Familie hat sich Beistand des „Christian Legal Centres“ geholt, eine Organisation, die die Familie im Kampf um Archies Leben unterstützt. „Wir möchten ihm jede Chance auf Leben geben“, so ein Sprecher der Organisation.

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