"Es ist ein Fluch"

Nach einer Operation: Frau wacht plötzlich mit russischem Akzent auf

Abby Fender aus Texas nach einer Operation
Abby Fender (39) aus Texas wacht nach einer Operation plötzlich mit russischem Akzent auf, obwohl sie keine Verbindung zu diesem Land hat. Die Diagnose: Sie hat eine seltene Krankheit.
Jam Press

von Dilara Böke

Abby Fender aus Texas wird wegen eines Bandscheibenvorfalls operiert. Als die 39-Jährige aufwacht, spricht sie plötzlich mit einem russischen Akzent – ohne jemals in Russland gewesen zu sein oder eine Verbindung zu dem Land zu haben. Ein extrem seltenes Phänomen, das sich Foreign Accent Syndrome, zu Deutsch Fremdsprachen-Akzent-Syndrom (FAS), nennt. Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht klärt im Gespräch mit RTL auf, was dahinter steckt.

Abby muss ständig über ihre Herkunft lügen

Nachdem Abby mit dem russischen Akzent aufwachte, kamen weitere Akzente dazu. Nämlich ein ukrainischer und mittlerweile ein australischer. Ihre Sprechstörung sei eine große Belastung für die ehemalige Sängerin. Täglich werde sie mehrmals nach ihrer Herkunft gefragt und müsste lügen, „weil es einfacher ist“, erzählte die 39.Jährige der amerikanischen „NeedToKnow.online“. „Einmal sagte ich, dass ich Ukrainerin bin und die andere Person fing an, in ihrer Muttersprache mit mir zu sprechen. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, also musste ich die Wahrheit sagen.“

Denn natürlich „können die Menschen nicht wie durch ein Wunder eine Fremdsprache sprechen“, erklärt uns Dr. Specht. Das Foreign Accent Syndrom habe laut dem Mediziner nicht mit einer fremden Sprache zu tun. „Wir interpretieren in die Artikulation der Sprache der betroffenen Person, dass diese eben mit einem fremden Akzent eines bestimmten Landes spricht, weil dessen Landsleute üblicherweise einen solchen Akzent haben.“ Weltweit seien von der seltenen Krankheit nur 50 bis 100 Menschen betroffen, so Dr. Specht.

Australierin wacht plötzlich mit irischem Akzent auf

Frau wacht plötzlich mit irischem Akzent auf Was ist da los?
00:39 min
Was ist da los?
Frau wacht plötzlich mit irischem Akzent auf

30 weitere Videos

Anzeige:

Empfehlungen unserer Partner

Was meinen Sie?

"Es ist ein Fluch"

Laut dem Allgemeinmediziner könne die Sprachstörung verschiedene Ursachen haben und trete sehr plötzlich auf. „Meistens ausgelöst durch einen Schlaganfall oder eine medizinische Intervention im motorischen Sprachzentrum“, erklärt er uns im Gespräch. „Das motorische Sprachzentrum ist für die Sprachgestaltung, also für das Sprechen an sich zuständig. Wenn das geschädigt ist, kann man zwar ein paar Worte verstehen, aber man kann selbst Worte nicht formulieren. Man kann sie nicht artikulieren.“

Lese-Tipp: Fußballer wacht aus Koma auf und spricht Französisch

Das beschreibt wohl am besten die Hilflosigkeit, der sich Abby ausgesetzt fühlte und noch immer fühlt. „Es war teilweise dermaßen frustrierend, dass ich es ich nicht einmal beschreiben kann. Denn zu wissen, wie und was ich sagen möchte, aber nicht in der Lage zu sein, es zu verbalisieren, ist ein Fluch, den ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde“, erzählte sie der „NeedToKnow.online“. Mittlerweile habe die 39-Jährige durch ein Sprechtraining bei einem Logopäden aber Hoffnung, denn ihre Gesangsstimme war angeblich wieder zu hören. „Aber das sollte nicht von Dauer sein, denn nur durch bestimmte Techniken, wie das Blasen mit einem Strohhalm in eine Wasserflasche, bekomme ich meinen alten Akzent zurück.“

Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht
Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht
RTL

Die ehemalige Sängerin könnte wieder wie früher sprechen und singen

Dass Abby ihren texanischen Akzent wieder zurückbekommt, schließt Dr. Specht nicht aus. Das Foreign Accent Syndrome gehe von allein wieder weg oder mit einer Sprachtherapie, wie Abby sie bereits macht. „Das kann relativ gut helfen. Aber manche müssen hart daran arbeiten, dass sie den Akzent loswerden. Was nicht ganz einfach ist, weil es ein Umtrainieren des motorischen Sprachzentrums ist.“ Laut Specht ist das vor allem für jüngere Leute einfacher, da „verbliebene, nicht geschädigte Zellen diese Aufgaben noch übernehmen können.“

Da die ehemalige Sängerin gerade einmal 39 Jahre alt ist und wieder singen möchte, trainiere sie aktuell fleißig – um die drei fremden Akzente bald loszuwerden. Aber auch wenn Abby nicht mehr wie früher spricht, sei sie dankbar für die seltene Krankheit. „Denn ohne das Foreign Accent Syndrome könnte ich überhaupt nicht sprechen.“

Lese-Tipp: Bennet (7) hat das seltene Fischgeruch-Syndrom