Es ging nicht nur ums Sportliche
Die Tops und Flops der Fußball-EM

Von Ludwig Degmayr
Das nervenaufreibende Final-Elfer-Drama zwischen Italien und England lieferte den Höhepunkt und Schlussstrich zur EM 2020 (die im Jahr 2021 stattfand). Es war eine Europameisterschaft, die durchaus Überraschungen parat hatte. Wo es große Gewinner gibt, sind auf der anderen Seite auch immer Verlierer. Von beidem gab es bei der EM mehr als genug. Das sind die Tops und Flops des Turniers.
Video: Italien ist Europameister!
Top: Dänemark und Simon Kjaer

Schlimmer konnte es für Dänemark gar nicht losgehen: Im ersten Spiel gegen Finnland fiel Christian Eriksen plötzlich leblos zu Boden und musste reanimiert werden. Als einer der Ersten kümmerte sich Kapitän Simon Kjaer um seinen Mitspieler, brachte ihn in die stabile Seitenlage, bildete mit den Teamkollegen einen Sichtschutz um Eriksen und tröstete dessen Freundin.
Von den Emotionen aufgewühlt und irgendwo auch aus der Balance gebracht, verloren die Dänen die erste Partie gegen Finnland und mussten sich auch den überlegenen Belgiern geschlagen geben. Durch viel Glück gelang mit einem Sieg gegen Russland doch noch der Einzug ins Achtelfinale.
In der kurzen Turnierpause sammelte Dänemark Kraft und fegte Wales im Achtelfinale aus dem Stadion. Gegen Tschechien wurde es zwar knapp, doch am Ende brachte der Teamgeist die Mannschaft bis ins Halbfinale. Dort war England die bessere Mannschaft, trotzdem rettete sich die Truppe um Trainer Kasper Hjulmand in die Verlängerung. Am Ende verhinderte ein äußerst zweifelhafter Strafstoß den Einzug ins Finale.
Speziell Simon Kjaer ist bei den tapferen Dänen herauszuheben, denn er tat noch etwas viel Wichtigeres, als exzellent Fußball zu spielen: Er half dabei, ein Menschenleben zu retten.
Flop: Frankreich

Die „Grande Nation“ war eher mittelmäßig und definitiv unter ihren Möglichkeiten im Turnier unterwegs. Gegen Deutschland noch solide, unterschätzte der amtierende Weltmeister Underdog Ungarn und wurde dafür bestraft. Am Ende stand trotzdem der Gruppensieg in der „Todesgruppe“, doch so tödlich war die Konkurrenz allem Anschein nach nicht, wie wir nach dem Turnier wissen.
Die Niederlage im Achtelfinale gegen die Schweiz war knapp, aber in Anbetracht der enormen Qualität im französischen Kader dennoch peinlich. Mit dieser Spielergeneration wäre es den Franzosen möglich gewesen, eine Erfolgsära wie Spanien zwischen 2008 und 2012 zu erschaffen, doch die „Equipe Tricolore“ scheiterte stattdessen an sich selbst.
Top: Schweiz und Yann Sommer

Die Schweiz leistete bei der EM Historisches. Noch nie gelang den Eidgenossen der Einzug ins Viertelfinale. Gegen die gut aufgelegten Spanier ging es bis ins Elfmeterschießen, am Ende versagten den Schweizern vom Punkt die Nerven.
Dass es für die Männer aus den Alpen überhaupt soweit ging, hatte vor allem Torwart Yann Sommer zu verantworten, der mit seinen Paraden nicht nur die Landsleute begeisterte. Mit einer immer noch jungen Mannschaft sind die Schweizer auch für die WM 2022 in Katar gut aufgestellt und ein Kandidat für die K.o.-Runde.
Flop: England-Fans
Ja, England ist das Mutterland des Fußballs und darf natürlich stolz auf diese sehenswerte Historie sein. Große Teile der englischen Anhängerschaft schossen aber deutlich über das Ziel hinaus während der WM. Keine Manieren beim Abstand halten, das lautstarke Auspfeifen der Hymne der Gegner und die Bedrohung der eigenen Spieler mit teils sogar rassistischen Tönen. Das war alles, nur eben nicht gentlemanlike. Im Gegenteil: Die Aktionen der Fans waren mitunter hochgradig unanständig.
Kein Wunder, dass sich die Mehrheit der internationalen Fans im Finale auf die Seite der Italiener schlug, die ebenfalls eine enorme Leidenschaft an den Tag legten, aber dabei nie das Maß überschritten.
Top: Italien

Dass der Europameister in dieser Aufzählung auftaucht, dürfte klar sein. Ein Titel ist niemals unverdient, das gilt übrigens auch für den abgelösten EM-Sieger Portugal. Im Gegensatz zu Cristiano Ronaldo und Co. mussten die Italiener ab dem Viertelfinale so richtig liefern, denn mit Belgien, Spanien und England ging es gegen echte Schwergewichte im Weltfußball.
Ob Torwart Donnarumma, die Abwehr-Veteranen Bonucci und Chiellini oder der sensationelle Chiesa in der Offensive – ein Mentalitätsmonster neben dem anderen. Und das alles im Konstrukt einer bestmöglich funktionierenden Mannschaft, in der jeder alles für den anderen gibt. Champion-Gene eben.
Flop: UEFA
Wo soll man da anfangen: Verbot der Regenbogen-Botschaften, unfaire Druckausübung auf die Veranstalter und ein völlig wettbewerbsverzerrender Spielplan etc. Die UEFA hat bei dieser EM sehr wenig richtig gemacht. Bei Eriksens Kampf um sein Leben so lange drauf zu bleiben, ist zudem mehr als nur moralisch verwerflich.
Lustig, dass das nächste große Turnier in Katar stattfindet. Kann ja nur besser werden – oder auch nicht.