Arzt schätzt ein
Ekel-Alarm auf der Wiesn: Ansteckungsgefahr durch kalt gespülte Krüge?

Wenn uns die Corona-Pandemie eines gelehrt hat, dann doch wohl, auf die richtige Hygiene zu achten - könnte man meinen. Auf dem Oktoberfest scheint man es damit jedoch angeblich nicht ganz so genau zu nehmen – vor allem beim Spülen der Gläser und Bierkrüge. Was passiert, wenn man dann ein Glas erwischt, an dem noch die Viren und Bakterien der Vor-Nutzer hängen?
15-Grad-Spülwasser - nicht nur Coronaviren haben leichtes Spiel
Auf dem Oktoberfest, heißt es laut Medienberichten, werden Gläser und Bierkrüge angeblich meist nur kalt gespült – teilweise sogar nur bei 15 Grad. Die sogenannte DIN-Norm 10511 für gewerbliches Gläserspülen, die Gastronomen vorschreibt, ihre Gläser bei mindestens 65 Grad zu spülen, gelte für die Wiesn-Wirte nicht, berichtet "Welt".
Klingt für den Laien erst einmal ziemlich eklig, wenn man bedenkt, wie viele Menschen über das gesamte Fest aus so einem Krug trinken – und dort ihre Viren und Co. hinterlassen. Doch wie groß ist die Ansteckungsgefahr durch kalt gespülte Gläser wirklich?
„Klar, es ist möglich, dass durch schlechtes Spülen Viren oder Bakterien übertragen werden“, bestätigt uns Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht. Viren, die noch am Glas haften, könnten dann beim nächsten Wiesn-Gast direkt in die Schleimhäute gelangen und so gegebenenfalls zu einer Infektion führen. Und das gelte nicht nur für Coronaviren, sondern auch für andere Erreger: "Es gibt 200 verschiedene andere Viren, die auch Symptome machen können", so Specht. "Rhinoviren, Coxsackie-Viren, Enteroviren, wie sie alle heißen - und die werden auch alle so übertragen." Auch mit Herpes, ebenfalls ein Virus, könne man sich so anstecken.
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Dr. Specht: Übertragung über Luft wahrscheinlicher als über Gläser
Doch wirklich genaue Untersuchungen, wie groß die Infektionsgefahr beim Trinken aus einem schmutzigen Glas ist, gebe es bisher nicht, räumt der Mediziner ein. Bei einer Ansteckung, die auf dem Oktoberfest erfolgt, sei im Nachhinein schlichtweg nicht mehr zu rekonstruieren, ob sich jemand über die Luft, durch Berührungen mit einer infizierten Person oder doch ganz anders infiziert habe. Der größte Anteil der Ansteckungen, vermutet Specht, geschehe wahrscheinlich eher über die Aerosolübertragung, also über kleinste Tröpfchen in der Luft, die beim Sprechen, Singen oder Husten entstehen.
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Bierglas schlecht gespült: Was hilft jetzt?
Nach Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) können Coronaviren bei einer Wassertemperatur ab 23 Grad inaktiviert werden – solange dabei auch noch ein handelsübliches Spülmittel genutzt wird. Wichtig sei dann, betont Dr. Specht im RTL-Interview, die Krüge und Co. möglichst gründlich zu spülen. Denn egal ob mit ganz kaltem oder mit handwarmem Wasser, man bekomme die Viren nicht alle sofort abgetötet. „Das ist ja kein 60-, 70- oder 80-Grad-Wasser. Es sei denn, es handelt sich um eine mechanische Spülung, aber das ist es ja meistens nicht."
Für Gäste auf dem Oktoberfest hat Specht jedoch schlechte Nachrichten: Seiner Einschätzung nach bringt es eher weniger, sichtbar dreckige Gläser nochmal selbst mit einem Taschen- oder Desinfektionstuch nachzureinigen, denn auch dann könnten noch Viren überleben. „Da würde ich lieber das Bier zurückgehen lassen“, rät der Arzt. Und selbst dann gebe es noch die Möglichkeit einer Ansteckung über die Luft – und die stelle eben in schlecht belüfteten Festzelten die eigentliche Gefahr dar. (dhe)