Entscheidung über freiwillige Isolation gekippt

„Meine Frau hat geweint“: Vater einer „Schattenfamilie“ erleichtert über Lauterbachs Kurswechsel

Die Familie war entsetzt, über Isolation selbst entscheiden zu können.
Sebastian Delius, Vater in einer Schattenfamilie, ist froh über die Entscheidung von Karl Lauterbach.
unbekannt, RTL

von Niklas Ullrich

Vor gerade einmal drei Tagen hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt, dass zum 1. Mai die Isolation und Quarantäne nach einem positiven Corona-Test nur noch eine freiwillige Entscheidung sein solle.

Das heißt: Wer ab dem Tag positiv ist, kann trotzdem, wenn sie oder er das möchte, weiterhin am alltäglichen Leben teilnehmen, ohne zu Hause warten zu müssen, bis ein negativer Test vorliegt. Ausgenommen waren davon lediglich die Beschäftigten im medizinischen Bereich.

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Zum 1. Mai sollte die Quarantäne fallen

Lauterbach führte diese Maßnahme darauf zurück, dass Isolation und Quarantäne sowieso nicht mehr von den Gesundheitsämtern kontrolliert werden können und die Arbeit fast nur bürokratische Dokumentation sei.

Die Kritik ließ in den sozialen Medien nicht lange auf sich warten. Die User waren entsetzt und konnten es gar nicht fassen, dass der Gesundheitsminister nach zwei Jahren, in denen Menschen zum Schutz von sich und anderer auf vieles verzichteten, nun diesen Schritt ging.

"Durchseuchung wird forciert"

Ähnlich schockiert zeigte sich auch Sebastian Delius aus Berlin, Vater in einer sogenannten „Schattenfamilie“. Aufgrund einer Schwerbehinderung seiner Tochter hatte er sich mit seiner Familie aus dem Alltag zurückgezogen und isoliert. RTL berichtete.

Seine siebenjährige Tochter gilt als Risikopatientin; eine Corona-Infektion könnte bei einem schweren Verlauf lebensgefährlich werden. Auf dieses Szenario möchte Delius natürlich verzichten, weswegen er weitere „Schattenfamilien“ mit vorerkrankten Familienmitgliedern verstehen kann, die sich durch den Vorschlag der freiwilligen Isolation vor den Kopf gestoßen fühlten.

Im RTL-Interview sagte der IT-Entwickler: „Meine Frau hat geweint, als sie davon hörte. Sie war der Meinung, dass dadurch eine Durchseuchung forciert wird. Wir sind als Familie heftig getroffen und gerade in dieser Zeit ist es ein fatales Signal.“ Ihm sei bewusst, dass alle Beteiligten eine enorme Verantwortung haben und die Isolation vonseiten der Gesundheitsämter immer schwieriger zu verfolgen sei, aber die Art und Weise der Kommunikation sei einfach „haarsträubend“ gewesen.

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Noch in der Nacht wird Lauterbach deutlich

Umso mehr freut sich der Vater von Zwillingen jetzt, dass der verantwortliche Politiker bei „Markus Lanz“ eine Abkehr ankündigte: „Ich finde es schön, dass Herr Lauterbach seinen Fehler einsieht und auch noch einmal genannt hat. Denn an den ersten Äußerungen konnte man nichts missverstehen.“

In der Nacht vom fünften auf den sechsten April meldete sich der Gesundheitsminister auch noch bei Twitter und bestätigte die von vielen Seiten ersehnte Nachricht.

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Entrüstung war groß

In seinem ersten Post, in dem Lauterbach die freiwillige Isolation angekündigt hatte, bekam der Kommentar eines Users besonders viel Zustimmung, der auch bei Sebastian Delius und seiner Familie eine Rolle spielte.

Es handelte sich dabei nämlich um die Initiative #BildungAberSicher, bei der der Familienvater auch aktiv ist. Diese setzt sich laut eigenen Angaben für einen hinreichenden Infektionsschutz in Schulen und Kitas ein und steht auch in engem Kontakt zu Schattenfamilien.

Die Initiative brauchte unter dem Post nur wenige Worte als Antwort:

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Initiative setzt sich für "Schattenfamilien" ein

In neun von 16 Bundesländern ist #BildungAberSicher aktiv, bei der sich Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Schülerinnen und Schüler sowie engagierte Menschen für mehr Infektionsschutz in Schulen und Kindergärten einsetzen.

Als Forderung nennen sie etwa, dass auch die Präsenzpflicht für Geschwisterkinder von vorerkrankten Schülerinnen und Schülern fallen und die Politik die Schattenfamilien, die während der Corona-Pandemie laut eigener Aussage mitunter gar keine Berücksichtigung fanden, mehr in die Entscheidungen einbeziehen soll.

Ob und wie das zukünftig passieren kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Klar ist nur, dass das Coronavirus nicht allzu bald aus der Welt geschafft ist, auch wenn viele Menschen aktuell den Eindruck haben.

Das stört auch Sebastian Delius, der weiterhin auf sich und seine Familie achtgeben muss: „Jetzt habe ich den Eindruck: Alle Leute wollen zurück in die Normalität. Und sie definieren Normalität als das, was vor Corona war. Und das wird für uns so nicht stattfinden, diese Normalität wird es auf absehbare Zeit für uns so nicht geben.“

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