Nach öffentlicher Torten-Attacke auf Constantin Schreiber (44)

Wegen Anfeindungen: Tagesschau-Sprecher geht drastischen Schritt

Seit Januar 2021 spricht Konstantin Schreiber die Tagesschau um 20 Uhr.
Seit Januar 2021 spricht der studierte Jurist Constantin Schreiber die Tagesschau um 20 Uhr.
kde alf, dpa, Uwe Zucchi

Tagesschau-Sprecher und Islam-Kenner Constantin Schreiber hat die Nase voll!

Immer wieder wird dem 44-Jährigen Islamfeindlichkeit vorgeworfen. Zuletzt bekommt Schreiber sogar in aller Öffentlichkeit eine Torte ins Gesicht geklatscht. Nun hat er beschlossen, sich nicht mehr zum Islam zu äußern. Wie kam es zu diesem drastischen Schritt?

Kurioser Protest: Torten-Attacke auf Tagesschau-Sprecher! Bei Lesung in Jena
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Bei Lesung in Jena
Kurioser Protest: Torten-Attacke auf Tagesschau-Sprecher!

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Immer wieder erntet Schreiber heftige Kritik für seine islamkritischen Veröffentlichungen

„Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr äußern. Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab, ich mache das nicht mehr. Da mögen jetzt manche feiern und vielleicht die Schampusflaschen aufmachen. Ob das ein Gewinn ist für die Meinungsfreiheit und für den Journalismus, ist eine andere Frage“, sagt Constantin Schreiber in einem am Mittwoch (13. September) veröffentlichten Interview mit der Wochenzeitung Zeit.

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In seinen Büchern und TV-Reportagen beschäftigt sich der 44-Jährige zum Teil kritisch mit dem Islam in Deutschland. Für sein 2017 erschienenes Buch „Inside Islam – Was in deutschen Moscheen gepredigt wird“ setzte er sich acht Monate lang in deutsche Moscheen. Dort sei er auf „ein problematisches Weltbild“ gestoßen. Immer wieder erntete der ARD-Moderator für derartige Veröffentlichungen heftige Kritik, besonders aus der linken Szene. Am 29. August traf die Kritik den Journalisten schließlich unvorbereitet mitten ins Gesicht.

Taxifahrer: "Ich weiß jetzt, wo du wohnst!"

Der Moderator und Journalist, Constantin Schreiber, posiert im Rahmen von Dreharbeiten für die arabische Nachrichtensendung "Marhaba - Ankommen in Deutschland" am 25.11.2015 in Berlin an seinem Schreibtisch.  Foto: Jörg Carstensen  (zu dpa-KORR "Nach
Nachrichten für Flüchtlinge
dpa, Jörg Carstensen

Schreiber war zu Gast an der Universität Jena für eine Lesung seines Buches "Glück im Unglück ­– wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe", als plötzlich ein Unbekannter auf die Bühne stürmt und ihm eine Torte ins Gesicht klatscht. Später bekannte sich im Internet eine Gruppe linker Aktivisten, die sich selbst als „linksradikal“ bezeichnet, zu dem Süßwaren-Anschlag.

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Den Entschluss, sich nicht mehr zum Thema Islam zu äußern, habe er aber schon davor gefasst, erzählt er der Zeit. Einmal habe ein Taxifahrer, ihm beim Aussteigen aus dem Wagen gesagt: „Ich weiß jetzt, wo du wohnst!“. Das sei ihm nach wie vor unheimlich. Irgendwann waren dem Familienvater Drohungen wie diese wohl zu viel: „Da habe ich einfach gesagt, nee, das will ich nicht, ich will diese Negativität in meinem Leben nicht.“ Ausgerechnet ein Sprecher will nicht mehr sprechen – zumindest über den Islam nicht – und das, obwohl er sich gut mit der muslimischen Welt auskennt.

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Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sieht im Fall von Constantin Schreiber die Cancel Culture bestätigt.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sieht im Fall von Constantin Schreiber die Cancel Culture bestätigt.
deutsche presse agentur

Schreiber lernte bereits als Kind während eines längeren Aufenthalts in Syrien die arabische Sprache. Später arbeitete der studierte Jurist als Reporter für eine libanesische Tageszeitung, war Dubai-Korrespondent der Deutschen Welle und moderierte auf arabisch bei einem ägyptischen Fernsehsender. 2016 erhielt der TV-Journalist für seine speziell an arabische Geflüchtete gerichtete ntv-Serie „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ den Grimme-Preis, der als renommiertester Medienpreis der Bundesrepublik gilt.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigt sich gegenüber Bild besorgt über Schreibers Entschluss, sich selbst einen Islam-Maulkorb zu verpassen: „Wenn sich Menschen wegen Einschüchterungen und Drohungen aus der öffentlichen Debatte zurückziehen, dann ist das immer ein schlechtes Zeichen – auch und gerade, wenn man die Meinung des Anderen nicht teilt. Bei Einschüchterung und Gewalt ist der Rechtsstaat gefordert, damit darf sich niemand durchsetzen“.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) geht sogar noch weiter. Laut Bild sehe er in Deutschland ein grundsätzliches Problem, kritisch über den Islam zu diskutieren. Constantin Schreiber sei ein „herausragender und hochintelligenter Journalist“, der mit Rechtsextremismus nichts zu tun habe, sagt er dem Blatt. Dem FDP-Politiker zufolge spiegele Schreibers Entscheidung „eine längerfristige Entwicklung wider, die für unsere Demokratie bedrohlich werden kann.“ Er fügt hinzu: „Jeder, der nach diesem Vorgang noch immer behauptet, Cancel Culture gäbe es nicht in Deutschland, muss sich vorwerfen lassen, den demokratischen Diskurs bewusst oder unbewusst zu zerstören“.(rhe)