Bundeskanzler vor Cum-Ex-Ausschuss

Erinnerungslücken von Olaf Scholz sorgen für Frust im Ausschuss

Bundeskanzler Olaf Scholz steht am Freitag ein zweites Mal vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Hamburg. Der Ausschuss soll klären, ob führende SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der in den Skandal verwickelten Warburg Bank genommen haben. Doch nach den ersten Minuten der Befragung wird deutlich: Neuigkeiten sind vom Bundeskanzler offenbar nicht zu erwarten – und zwar die ganzen dreieinhalb Stunden, die die Vernehmung schließlich dauert, nicht. Das Verhalten des Bundeskanzler macht einige Anwesende offenbar sogar wütend.
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Ehemaliger Erster Bürgermeister zurück im Plenarsaal

Pünktlich um 14 Uhr betritt der Bundeskanzler und ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs den Saal. Mit einem Lächeln begrüßt er höflich die Anwesenden, wie RTL-Reporterin Teresa Treuheit vor Ort beobachtet. Den Platz ganz rechts auf der Senatsbank im Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft kennt Olaf Scholz nur zu gut. Nur nimmt er dort jetzt nicht als Bürgermeister platz, sondern als Bundeskanzler und Zeuge in der „Cum-Ex-Affäre“ – und das bereits zum zweiten Mal. „Ich freue mich nach langer Zeit mal wieder in der Hamburger Bürgerschaft sein zu können. Danke für die Einladung und die Gelegenheit ein zweites Mal wieder hier sprechen zu können“, so Scholz zu Beginn seiner Aussage.

Auch bei seiner zweiten Vernehmung bestreitet der Bundeskanzler jede Einflussnahme auf Steuerentscheidungen zur Warburg Bank und beruft sich noch immer auf Erinnerungslücken wie schon in seiner ersten Vernehmung.„Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen“, so Scholz.

Jüngst bekanntgewordene Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft Köln, die im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank auch gegen den früheren Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (beide SPD) ermittelt, werfen weitere Fragen auf. Der Druck auf Scholz war zuletzt gestiegen auch, wenn sich die Ermittlungen nicht gegen ihn richten.

An Inhalte der Gespräche könne Scholz sich nicht erinnern

Scholz hatte schon in seiner ersten Aussage bestätigt, dass er 2016 und 2017 mit Olearius und Warburg zusammengekommen ist. Die Treffen waren durch die Veröffentlichung von Einträgen aus Olearius Tagebüchern, die im Zuge der Ermittlungen gegen den Banker von der Staatsanwaltschaft sichergestellt worden waren, bekanntgeworden. An die Inhalte der Gespräche könne er sich aber nicht mehr erinnern, sagte Scholz im April vergangenen Jahres vor dem Ausschuss.

Und auch Freitagnachmittag änderte sich das nicht. „Ich habe damals schon erläutert, dass ich zu diesen und zu Gesprächen mit anderen Bankhäusern keine genauen Erinnerungen habe“, so Scholz. Mehr als 30 Mal erklärt er insgesamt, sich nicht mehr erinnern zu können. Damit lockt Scholz offenbar sogar die Mitglieder des Untersuchungsausschusses aus der Reserve. Einer schlägt ihm vor, unter Hypnose auszusagen, da man sich dadurch wieder erinnern könne. Die Antwort des Bundeskanzlers: „Ich finde man sollte den Hokuspokus lassen, den sie hier mit ihrer Frage aufgeworfen haben."

Dass bei der Befragung nicht wirklich etwas Neues rumkommt, scheint manche Teilnehmenden zu frustrieren. Nachdem Scholz mehrfach aufgefordert wird, lauter zu sprechen, soll ihn einer der Anwesenden als „arrogant“ bezeichnet haben. Und: Ein Journalist scheint beim Zuhören sogar eingeschlafen zu sein, wie RTL-Reporter berichten.

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Laut Scholz hat es keine Vorzugsbehandlung gegeben

Er verwies darauf, dass Steuerhinterziehung kein „Kavaliersdelikt“ sei. Das habe er immer schon so gesehen. Auch deshalb sei klar: „Es hat keine Vorzugsbehandlung von Herrn Warburg oder Herrn Olearius gegeben.“ Laut Olaf Scholz sei der Hansestadt Hamburg kein finanzieller Schaden entstanden.

Zu den Medienberichten, dass im Rahmen der Ermittlungen ein hoher Geldbetrag im Schließfach von Johannes Kahrs gefunden worden sein soll, sagt der Bundeskanzler: Er wisse weder etwas vom Schließfach noch von der Herkunft des Geldes.

Auf die Frage, warum er sich alleine mit Olearius getroffen habe, antwortet Scholz: „Ich habe mich oft und sehr häufig mit vielen alleine getroffen. Ich gehe davon aus, dass ich mich korrekt verhalten habe.“

In seinem Schlusswort sagt Scholz, er „hege die leise Hoffnung“, dass die Mutmaßungen und Unterstellungen nun aufhörten.

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Das ist der "Cum-Ex-Skandal"

Im Fokus stehen sogenannte Cum-Ex-Geschäfte, bei denen Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch in einem vertrackten System verschoben und sich dann Steuern erstatten ließen, die nie gezahlt wurden. Scholz hatte sich 2016 und 2017 mit den Gesellschaftern der in den Skandal verwickelten Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, getroffen. Nach den ersten Treffen hatte die Hamburger Finanzverwaltung 2016 Rückforderungen für zu unrecht erstattete Steuern in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank in die Verjährung laufen lassen. Eine Forderung über 43 Millionen Euro wurde 2017 erst auf Druck des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung erhoben. Gegen Olearius wurde zum Zeitpunkt der Treffen schon wegen Cum-Ex-Geschäften ermittelt. (dpa/ttr/sis)