Überfall in Beirut
Für ihre krebskranke Schwester: Verzweifelte Frau stürmt Bank, um an ihr Erspartes zu kommen
Eine Frau stürmt am Mittwochmorgen die Blom Bank in Beirut – mit der Spielzeugpistole ihres Neffen. Sie versetzt die Mitarbeiter und den Chef in Angst und Schrecken. Sali Hafiz hat nichts mehr zu verlieren, sie will nur noch eins: Ihr eigenes Erspartes. Die Bank hatte ihr offenbar keine andere Möglichkeit mehr gelassen.
Sali Hafiz brauchte Geld für ihre krebskranke Schwester
Sali Hafiz’ Ziel war nur, ihr eigenes Geld abzuheben, was sonst nicht so einfach geklappt hätte. Deshalb musste sie wohl erst die Bank stürmen und die Mitarbeiter bedrohen. Zwei Tage vor dem Überfall war die verzweifelte Frau wohl schon dort und hatte den Filialleiter angefleht, das Ersparte herauszugeben. Aus einem bitteren Grund: Ihre Schwester habe Krebs und liege im Sterben. Dafür bräuchte sie dringend das Geld.
„Erst hat er mich zappeln lassen, dann sagte er, er könne mir monatlich 200 US-Dollar geben - bei einem Kurs von 12 Millionen libanesischen Pfund. Das wären 2.400.000 libanesische Pfund. Davon können wir noch nicht mal eine Spritze bezahlen, die meine Schwester täglich braucht“, erzählt Hafiz im Reuters-Interview. Am Ende bekommt sie von der Bank 13.000 von ihren 20.000 Dollar ausgehändigt.
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Aktivistin: "Wir wollen unsere Rechte, unser Geld!"
Außerhalb der Bank sammelten sich Unterstützer der Geiselnehmerin. Sicherheitskräfte versuchten, die aufgebrachte Menge unter Kontrolle zu bringen. „Wir wollen unsere Rechte, unser Geld! Die Banken demütigen uns. Wir haben jahrelang im Ausland gearbeitet, unser Geld im Libanon deponiert, ein Land, dem wir vertraut haben“, sagte eine wütende Aktivistin. Die Gruppe nennt sich „Sarchat al midiain“ – übersetzt „Aufschrei der Einleger“. Sie unterstütze die Aktion von Sali Hafiz. Die Aktivisten hätten Boden und Schreibtische mit Benzin übergossen, sagte eine Kundin, die sich in der Filiale aufhielt.
Der Grund für dieses heftige Vorgehen: Seit fast drei Jahren leidet der Libanon unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Viele Libanesen kommen an ihr Geld – oftmals als US-Dollar angelegt – nicht mehr heran.
Wie geht es weiter für Sali Hafiz nach dem Überfall?
„Wir haben kein Geld genommen, das nicht unseres war. Es ist unser Geld auf der Bank und wir haben sie gefragt, ob wir es haben können, zumindest einen Teil - aber sie wollten nicht. Deswegen war meine Tochter gezwungen, ihr Geld gewaltsam abzuheben“, sagte die Mutter von Sali Hafiz.
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Doch wie geht es nach dem Überfall nun weiter für die verzweifelte Frau? „Ganz einfach: Was heute passiert ist, dass eine Bankkundin sich genommen hat, was ihr gehört. Wir haben den Staat in den vergangenen drei Jahren gebeten, angefleht, wir haben auf friedlichem Weg protestiert, aber niemand interessiert sich dafür“, so Ibrahim Abdallah von „Aufschrei der Einleger“. Die Bank hat keine Anzeige gegen Sali Hafiz erstattet.
In dem Land am Mittelmeer kommt es immer wieder zu solchen Banküberfällen, da die Menschen an ihre Grenzen stoßen. Erst Mitte August hatte ein Mann unter dem Jubel der Menge Geiseln in einer Bank genommen, um 35.000 US-Dollar abzuheben. Damit wollte er wohl die Arztrechnungen seines Vaters bezahlen. (gsc)