Tausende Ukrainer im Norden erwartet

"Einfach nur verzweifelt": Irina (25) und ihr Sohn (2) fliehen nach Hamburg

Irina Nikolaenkova flüchtete mit ihrem Sohn aus der Ukraine.
Irina Nikolaenkova flüchtete mit ihrem Sohn aus der Ukraine.
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Irina Nikolaenkova hat es gerade noch rechtzeitig geschafft: Seit Mittwoch ist die Englisch-Lehrerin aus der ostukrainischen Region Donezk mit ihrem zweijährigen Sohn in Deutschland. Sie flohen zusammen aus der Ukraine, kurz bevor die russischen Truppen in ihre Heimat einmarschierten. Jetzt ist sie bei ihrem Lebensgefährten in Hamburg in Sicherheit.

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Der letzte Flug nach Deutschland

„Für mich war es wirklich riskant, weil - was passiert, wenn sie wirklich einmarschieren? Was, wenn wir nicht bis Kiew kommen? Okay, wir erreichten Kiew - was, wenn sie Kiew bombardieren und kein Flug mehr starten kann? Ich wurde erst ruhig, als der Flieger die Grenze überflog, morgens hörte ich, dass dies der letzte Flug war", erzählt die 25-Jährige im Interview. Eigentlich wollte sie mit ihrem Sohn und Lebensgefährten quer durch die Ukraine reisen, das Land entdecken. Doch dann eskalierte die Situation.

"Ich muss meinen Sohn vor den Bomben beschützen"

Irina und Marc sind seit Mittwoch in Hamburg.
Irina und Marc sind seit Mittwoch in Hamburg.
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Doch selbst für die, die wie Irina in Sicherheit sind, ist es kaum aushalten, von hier aus die Nachrichten in der Heimat zu verfolgen. Irinas Geschwister und ihr Vater sind in der Heimat geblieben und bereit, ihr Land zu verteidigen. "Ich fühle mich einfach nur verzweifelt. Dass ich nichts tun kann. Oder in der Ukraine bleiben kann. Ich kann nichts tun, denn ich muss meinen Sohn beschützen vor den Bomben", erzählt sie. Für ihren kleinen Sohn Marc wünscht sie sich jetzt nichts mehr, als dass er in Frieden und ohne Angst aufwachsen kann.

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Vereinte Nationen rechnen mit vier Millionen Flüchtlingen

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es auch in Hamburg heute wieder Proteste.
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Einen Tag nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind nach UN-Angaben mehr als 100.000 Menschen auf der Flucht, tausende weitere sind bereits im Ausland. Die Vereinten Nationen stellen sich auf bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ein, sollte sich die Situation weiter verschlechtern. Auch in Norddeutschland werden tausende Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet. Hamburg hat bereits einen Krisenstab eingerichtet und die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen zugesichert. "Wir aktivieren jetzt die bestehenden Platzkapazitäten", sagte Innensenator Andy Grote am Donnerstag.

Auch Kiel bereit, Flüchtlinge aufzunehmen

Kiel bereitet sich auf Flüchtlingswelle vor, Ukrainer seien in Kiel willkommen.
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Vor dem Kieler Rathaus wehen am Freitag Friedensflaggen der Organisation „Bürgermeister für den Frieden“. Und auch in der nördlichsten Landeshauptstadt ist man bereit, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen: „Ich glaube, diese Krise, die wir jetzt sehen, ist ja auch eine fundamentale Änderung der europäischen Sicherheitsordnung. Das haben wir uns vielfach, glaube ich, nicht vorstellen können, dass so etwas in Europa wieder möglich ist. Und da ist es ein Gebot der Solidarität und auch der Humanität, dass wir jetzt nicht unsere Herzen verschließen, sondern die Weltoffenheit, die wir in Kiel seit Langem üben, auch für mögliche Flüchtlinge aus der Ukraine öffnen“, erklärt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) im RTL Nord-Interview. Hundert Unterkünfte stünden laut Kämpfer sofort zur Verfügung, mit Vorlauf seien es sogar mehrere hundert.

Eine logistische Herausforderung

Ein stilles Gedenken an die Ukraine gibt es in der ukrainischen Gemeinde in Hannover.
Ein stilles Gedenken an die Ukraine gibt es in der ukrainischen Gemeinde in Hannover.
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Nach Angaben des niedersächsischen Flüchtlingsrats leben in Niedersachsen mehr als 30.000 Menschen, die Angehörige in der Ukraine haben. Wer Verwandtschaft oder Freunde in Niedersachsen hat, wird vermutlich versuchen, hierher zu kommen. "Wir wissen von hunderttausend Flüchtlingen, die schon unterwegs sind. Die Landesbehörden haben bereits begonnen, Einrichtungen für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen vorzubereiten", sagt Klaus Weber vom Flüchtlingsrat. Weiter spricht er von einer logistischen Herausforderung, denn nicht nur Betten und Registrierungsmöglichkeiten sollen bereitgestellt werden. Er fordert vor allem nachhaltige Lösungen für die Geflüchteten: „Wir müssen uns drauf einstellen, dass sie nächste Woche nicht wieder in ihr Heimatland zurückkehren können. Insofern müssen wir mittelfristig mit einer organisierten Aufnahme dieser Menschen rechnen. Diese sieht vor, dass wir ihnen Wohnraum, Arbeit und Perspektiven auch in Niedersachsen bieten.“ (kzi/jsi)