Amoktat in Hamburg

Anonymer Hinweis zu Philipp F.: Ahnte jemand, dass er ein Blutbad plante?

"Der schießt" - Anwohner filmt Momente des Amoklaufs Tote bei Zeugen Jehovas in Hamburg
01:56 min
Tote bei Zeugen Jehovas in Hamburg
"Der schießt" - Anwohner filmt Momente des Amoklaufs

30 weitere Videos

Acht Tote, darunter auch ein ungeborenes Baby, acht teils schwer Verletzte – das ist die grausige Bilanz der Bluttat in Hamburg. Die Frage, die die Ermittler jetzt umtreibt: WARUM hat Philipp F. bei einer Versammlung der Zeugen Jehovas das Feuer um sich geschossen? In einer Pressekonferenz am Freitag gaben die Ermittler zumindest einige Hinweise bekannt, die auf ein mögliches Motiv hindeuten. Es ging dabei auch um einen anonymen Hinweis.

Lese-Tipp: Acht Tote bei Zeugen-Jehovas-Blutbad: Amokläufer Philipp F. trug Pistole mit 29 Magazinen

Philipp F. (35) soll der Amokschütze von Hamburg sein
Philipp F. (35) soll der Amokschütze von Hamburg sein
privat

Tippgeber weist auf mögliche psychische Probleme bei Philipp F. hin

Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erklärte, dass die Waffenbehörde im Januar einen Tipp zu dem 35-jährigen Sportschützen bekommen habe. Der anonyme Hinweisgeber habe auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. hingewiesen. Diese Erkrankung sei aber möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe, hieß es in dem Schreiben. Der 35-Jährige habe Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber, behauptete der Tippgeber.

Lese-Tipp: Hamburg: Ungeborenes Baby ist unter den acht Todesopfern - Mutter überlebt verletzt

Das Schreiben enthielt laut Meyer auch die Bitte, Philipp F. in Bezug auf sein Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften überprüfen zu lassen. Die Waffenbehörde recherchierte daraufhin und führte im Februar eine nicht angekündigte Kontrolle bei F. durch. Zwei Beamte der Waffenbehörde hätten den Mann besucht und eine Standartkontrolle vorgenommen.

Waffenbehörde kontrollierte Philipp F. noch im Februar

„Er zeigte sich kooperativ, erteilte bereitwillig Auskunft, es war ein offenes Gespräch“, erklärte Meyer. Sowohl Waffe als auch der Tresor, in dem sie verwahrt wurde, hätten keinen Anlass zur Beanstandung gegeben, „bis auf eine Kleinigkeit, weil ein Projektil oberhalb des Tresors lag“, sagt der Polizeipräsident. F. habe sich aber sofort entschuldigt und das Projektil ordnungsgemäß weggeschlossen. Der Vorfall sei ihm peinlich gewesen.

Die gesamten Umstände hätten keinerlei Anhaltspunkte für die Beamten ergeben, „die auf eine psychische Erkrankung hätten hindeuten können“. Man habe über alltägliche Dinge wie die Wohnungseinrichtung gesprochen „und ist am Ende des Tages rausgegangen und hat ihm wegen des kleinen Verstoßes eine mündliche Verwarnung ausgesprochen“, so der Polizeipräsident. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen, erklärte Meyer. Danach verschwand Philipp F. wieder vom Radar der Behörden.

Amoklauf in Hamburg: "Anrufer während Notruf ermordet" Dramatische Details in Pressekonferenz
00:58 min
Dramatische Details in Pressekonferenz
Amoklauf in Hamburg: "Anrufer während Notruf ermordet"

30 weitere Videos

Anzeige:

Empfehlungen unserer Partner

Kurz vor Bluttat in Hamburg: Beamte finden bei Kontrolle nichts zu beanstanden

Im Internet gab Philipp F. einiges über sich und seine Gedankenwelt preis. Die Webseite des Täters zeigt etwa, dass er sich intensiv mit Gott und Jesus Christus auseinandersetzte. Die Waffenbehörde hatte den aus Memmingen im Allgäu stammenden Mann zwar schon bei der Erteilung der Waffenbesitzkarte auf seine Zuverlässigkeit überprüft, routinemäßig Erkundigungen in den Akten von Polizei, Verfassungs- und Staatsschutz angestellt. Zweifel an der Zuverlässigkeit des späteren Amokläufers hätten sich da aber nicht ergeben, sagt Meyer.

Täter eröffnet auf Parkplatz das Feuer

Was die Beamten offenbar nicht kommen sahen: Philipp F. eröffnete am Abend des 9. März auf einem Parkplatz vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas das Feuer auf eine Frau im Auto. Die konnte leicht verletzt flüchten und die Polizei rufen. Der Tatverdächtige soll daraufhin durch ein Fenster auf die im Gebäude versammelten Menschen geschossen und sich so auch Zugang verschafft haben. Erst die Polizei, die nur Minuten später am Tatort war, konnte das Blutbad stoppen. Der Täter flüchtete den Ermittlern zufolge in ein höheres Stockwerk im Gebäude und beging dort Selbstmord.

Lese-Tipp: Amoklauf mit mehreren Toten bei Zeugen Jehovas - Video zeigt mutmaßlichen Schützen

Der 35-Jährige soll ein Ex-Mitglied der Gemeinde im Hamburger Stadtteil Groß Borstel gewesen sein. Vor anderthalb soll er die Zeugen Jehovas aber im Streit verlassen haben. Mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schließen die Ermittler nicht aus. (jgr, mit dpa)