Amoktat in Hamburg
Anonymer Hinweis zu Philipp F.: Ahnte jemand, dass er ein Blutbad plante?
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Acht Tote, darunter auch ein ungeborenes Baby, acht teils schwer Verletzte – das ist die grausige Bilanz der Bluttat in Hamburg. Die Frage, die die Ermittler jetzt umtreibt: WARUM hat Philipp F. bei einer Versammlung der Zeugen Jehovas das Feuer um sich geschossen? In einer Pressekonferenz am Freitag gaben die Ermittler zumindest einige Hinweise bekannt, die auf ein mögliches Motiv hindeuten. Es ging dabei auch um einen anonymen Hinweis.
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Tippgeber weist auf mögliche psychische Probleme bei Philipp F. hin
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer erklärte, dass die Waffenbehörde im Januar einen Tipp zu dem 35-jährigen Sportschützen bekommen habe. Der anonyme Hinweisgeber habe auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. hingewiesen. Diese Erkrankung sei aber möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe, hieß es in dem Schreiben. Der 35-Jährige habe Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber, behauptete der Tippgeber.
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Das Schreiben enthielt laut Meyer auch die Bitte, Philipp F. in Bezug auf sein Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften überprüfen zu lassen. Die Waffenbehörde recherchierte daraufhin und führte im Februar eine nicht angekündigte Kontrolle bei F. durch. Zwei Beamte der Waffenbehörde hätten den Mann besucht und eine Standartkontrolle vorgenommen.
Waffenbehörde kontrollierte Philipp F. noch im Februar
„Er zeigte sich kooperativ, erteilte bereitwillig Auskunft, es war ein offenes Gespräch“, erklärte Meyer. Sowohl Waffe als auch der Tresor, in dem sie verwahrt wurde, hätten keinen Anlass zur Beanstandung gegeben, „bis auf eine Kleinigkeit, weil ein Projektil oberhalb des Tresors lag“, sagt der Polizeipräsident. F. habe sich aber sofort entschuldigt und das Projektil ordnungsgemäß weggeschlossen. Der Vorfall sei ihm peinlich gewesen.
Die gesamten Umstände hätten keinerlei Anhaltspunkte für die Beamten ergeben, „die auf eine psychische Erkrankung hätten hindeuten können“. Man habe über alltägliche Dinge wie die Wohnungseinrichtung gesprochen „und ist am Ende des Tages rausgegangen und hat ihm wegen des kleinen Verstoßes eine mündliche Verwarnung ausgesprochen“, so der Polizeipräsident. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen, erklärte Meyer. Danach verschwand Philipp F. wieder vom Radar der Behörden.
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Im Internet gab Philipp F. einiges über sich und seine Gedankenwelt preis. Die Webseite des Täters zeigt etwa, dass er sich intensiv mit Gott und Jesus Christus auseinandersetzte. Die Waffenbehörde hatte den aus Memmingen im Allgäu stammenden Mann zwar schon bei der Erteilung der Waffenbesitzkarte auf seine Zuverlässigkeit überprüft, routinemäßig Erkundigungen in den Akten von Polizei, Verfassungs- und Staatsschutz angestellt. Zweifel an der Zuverlässigkeit des späteren Amokläufers hätten sich da aber nicht ergeben, sagt Meyer.
Täter eröffnet auf Parkplatz das Feuer
Was die Beamten offenbar nicht kommen sahen: Philipp F. eröffnete am Abend des 9. März auf einem Parkplatz vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas das Feuer auf eine Frau im Auto. Die konnte leicht verletzt flüchten und die Polizei rufen. Der Tatverdächtige soll daraufhin durch ein Fenster auf die im Gebäude versammelten Menschen geschossen und sich so auch Zugang verschafft haben. Erst die Polizei, die nur Minuten später am Tatort war, konnte das Blutbad stoppen. Der Täter flüchtete den Ermittlern zufolge in ein höheres Stockwerk im Gebäude und beging dort Selbstmord.
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Der 35-Jährige soll ein Ex-Mitglied der Gemeinde im Hamburger Stadtteil Groß Borstel gewesen sein. Vor anderthalb soll er die Zeugen Jehovas aber im Streit verlassen haben. Mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft schließen die Ermittler nicht aus. (jgr, mit dpa)