"Es ist, als ob man sich selbst von einem anderen Ort aus beobachtet"Alice-im-Wunderland-Syndrom: Frau (41) hat das Gefühl, außerhalb ihres Körpers zu schweben

Kennen Sie das Gefühl, außerhalb Ihres Körpers zu schweben? Was nach einer Szene aus „Matrix“ oder „Alice im Wunderland“ klingt, ist für Etta Shaheen (41) Realität. Angefangen hat alles Ende 2019 mit einem leichten Schwindelgefühl, kurze Zeit später bricht sie zusammen, muss ins Krankenhaus und ist anschließend zwei Jahre lang bettlägerig. Sie hat das Gefühl, außerhalb ihres Körpers zu schweben – ohne das Bett verlassen zu können. Der Grund: Etta Shaheen hat das Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS).
"Ich hatte dieses schreckliche Gefühl, als wäre ich nicht mehr mit meinem Körper verbunden"
Als ob „Watte in meinem Kopf“ sei, fühlt es sich an, als Etta Shaheen Ende 2019 mit einem Schwindelgefühl aufwacht. Wie sie gegenüber „Daily Mail“ berichtet, können Ärzte damals nichts finden. Zwei Monate später bricht sie schließlich beim Wäschewaschen zusammen, denkt sie hätte einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Im Krankenhaus werden Blut-, Gehirn- und Augentests gemacht, doch die Ärzte können auch hier nichts finden.
Erst zehn Tage später bekommt Etta die Diagnose von einem HNO-Arzt: Sie hat chronischer vestibulärer Migräne und anhaltendem postural-perzeptivem Schwindel – und das Alice-im-Wunderland-Syndrom.
Was klingt wie eine ausgedachte Krankheit, spürt Etta am eigenen Leib: Zwei Jahre lang kann sie ihr Bett nicht wirklich verlassen, ist unfähig zu kochen, zu putzen, mit ihren Hunden spazieren zu gehen oder sich zu duschen. Immer hat sie Angst, das Gefühl der Schwerelosigkeit zu spüren.
„Ich hatte dieses schreckliche Gefühl, als wäre ich nicht mehr mit meinem Körper verbunden, als würde ich außerhalb von mir selbst schweben“, erzählt sie der „Daily Mail“. „Es ist, als ob man kein Gefühl dafür hat, wo der eigene Körper ist. Man weiß, dass man zum Beispiel auf dem Bürgersteig steht, aber man hat das Gefühl, hinter sich zu sein und durch Glas zu schauen, und sein Leben ist nicht mehr real. Es ist, als ob man sich selbst von einem anderen Ort aus beobachtet.“

Was ist das Alice-im-Wunderland-Syndrom?
Das Alice-im-Wunderland-Syndrom ist eine Wahrnehmungsstörung, die laut „DocCheck“ meist bei Kindern auftritt, aber auch bei Erwachsenen vorkommen kann. Bei Auftreten im Kindesalter verschwinden die Symptome meistens im Laufe der Pubertät.
Betroffene verlieren unter anderem die Orientierung, leiden an Halluzinationen und haben das Gefühl „verrückt“ zu werden. Dies äußert sich unter anderem in dem Gefühl, dass sich Teile ihres Körpers in ihrer Größe verändern und dass sich die Größe von Gegenständen verändert. Autos, Menschen oder Gebäude also plötzlich ganz klein oder ganz groß wahrgenommen werden und Entfernungen nicht mehr eingeschätzt werden können. Die Symptome treten überwiegend nachts auf.
„Die Umgebung und der eigene Körper werden verändert wahrgenommen. Dinge erscheinen plötzlich viel größer oder kleiner als in der Realität, der Tastsinn und das Hören können verändert sein. Auch eine Dislokation oder Fehlanordnung von Körperteilen wie in Gemälden von Pablo Picasso oder di Chirico werden beschrieben“, erklärt Neurologe Prof. Dr. med. Peter Berlit bei „Praxisvita“.
Häufig tritt das Alice-im-Wunderland-Syndrom nicht allein auf, sondern gemeinsam mit anderen körperlichen oder psychischen Störungen, wie zum Beispiel Migräne, Epilepsie, Tumoren oder Virusinfektionen wie dem Epstein-Barr-Virus. Eine Behandlung des Alice-im-Wunderland-Syndroms erfolgt meist durch die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung.
"Ich musste mich als heilende Person sehen, nicht als kranke Person"
Etta Shaheen schafft es schließlich, Stück für Stück mit den Symptomen umzugehen und so ein wenig Normalität in ihr Leben zu bringen. Ihr erster Schritt: Sie streicht ihre Auslöser – darunter ihre frühere Ernährung, hält sich von toxischen Menschen in ihrem Leben fern und fängt an, mehr Sport zu treiben. Zudem lernt sie in einem Kurs, „neue Nervenbahnen zu schaffen“.
Heute, sagt die 41-Jährige bei „Daily Mail“, geht es ihr zu 90 bis 95 Prozent wieder gut. Hin und wieder hat sie noch Rückfälle und vermutlich wird sie für den Rest ihres Lebens mit der Krankheit zu kämpfen haben. Dennoch betont sie: „Das Wichtigste war nicht, dass ich meinen Symptomen einen Namen oder eine Emotion zuordnen konnte, sondern ich musste neu lernen, wie ich über meine Krankheit dachte und wie ich an sie heranging, um sie heilen zu können [...] Ich musste mich als heilende Person sehen, nicht als kranke Person.“
Heute teilt Etta Shaheen ihr Leben mit dem Alice-im-Wunderland-Syndrom auf Instagram und sagt, dass sie fast täglich von Menschen angeschrieben wird, die Hilfe bei dieser Krankheit suchen. (akr)