Aktivisten gegen SchlachthofTierschützer zeigen vermeintliches Tierleid und werden vom Schlachthofbetreiber verklagt

Anna Schubert und Hendrik Haßel von Animal Rights Watch stehen vor Gericht, weil sie heimlich filmten, wie Schweine in einem Schlachthof mit CO₂ betäubt werden.
Anna Schubert und Hendrik Haßel von Animal Rights Watch stehen vor Gericht, weil sie zeigten, wie Schweine in einem Schlachthof mit CO₂ betäubt werden.
RTL
von Grit Gadow und Nele Hasselbusch

Panische Schreie aus dem CO₂-Schacht.
Tierschützer filmen heimlich das vermeintliche Leid der Schweine und veröffentlichen die Aufnahmen. Zwei Aktivisten sitzen nun auf der Anklagebank. Der Betreiber des Betriebs fordert nicht nur eine hohe Geldstrafe, sondern auch ein Verbot, das Material weiter zu veröffentlichen. Doch die Beklagten sehen sich im Recht.

Protest vor dem Gericht: „Tierleid zeigen ist kein Verbrechen“

Schon über eine Stunde vor Prozessbeginn stehen Dutzende Demonstranten mit Plakaten auf dem Gehweg vor dem Landgericht Oldenburg. „Tierleid zeigen ist kein Verbrechen“, rufen sie. Ihr Protest richtet sich gegen den Betreiber eines Schlachthofs in Lohne, der zwei Aktivisten verklagt hat: wegen Hausfriedensbruch, Rufschädigung und angeblich manipulierter Aufnahmen.

Protest vor dem Gericht in Oldenburg: Dutzende Tierschützer fordern Straffreiheit für die Aktivisten – und zeigen Plakate mit klarer Botschaft: „Tierleid zeigen ist kein Verbrechen.“
Protest vor dem Gericht in Oldenburg: Dutzende Tierschützer fordern Straffreiheit für die Aktivisten – und zeigen Plakate mit klarer Botschaft: „Tierleid zeigen ist kein Verbrechen.“
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Die beiden Aktivisten Hendrik Haßel und Anna Schubert von der Organisation Animal Rights Watch sollen sich unerlaubt Zutritt zu dem Betrieb in Lohne verschafft, Kameras installiert und Videoaufnahmen veröffentlicht haben. Schlachthofbetreiber Niko Brand fordert Schadensersatz und ein Verbot, die Aufnahmen weiterzuverbreiten. Doch die Beklagten bleiben standhaft. „Wir stehen hier heute vor Gericht, weil wir letztes Jahr öffentlich gemacht haben, wie die CO₂-Betäubung bei Brand aussieht, nämlich enorm brutal”, meint Haßel im Gespräch mit RTL.

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Umstrittene CO₂-Betäubung

Im Zentrum des Prozesses stehen Aufnahmen aus dem sogenannten Paternoster: Einer Anlage, in der Schweine in Gondeln in einen Betäubungsschacht gefahren werden. CO₂ soll sie vor der Schlachtung betäuben. Auf dem Videomaterial zu sehen und vor allem zu hören: panische Schreie, ruckartige Bewegungen der Tiere. Für Haßel und Schubert ein Beweis für systematisches Tierleid. Doch der Schlachthofbetreiber sieht das anders. Die Tonspur sei manipuliert, die Darstellung übertrieben. „Viele unserer Zulieferer haben inzwischen Angst, nicht mehr nur von Kontrollinstanzen geprüft zu werden, sondern auch von selbsternannten Tierrechtsgruppen“, erklärt Niko Brand im RTL-Interview.

Schlachthofbetreiber Niko Brand und sein Anwalt werfen den Aktivisten Rufschädigung und Hausfriedensbruch vor. Sie fordern ein Verbot der Aufnahmen – und Schadensersatz.
Schlachthofbetreiber Niko Brand und sein Anwalt werfen den Aktivisten Rufschädigung und Hausfriedensbruch vor. Sie fordern ein Verbot der Aufnahmen – und Schadensersatz.
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Sein Anwalt nennt die Beklagte eine „Störerin“. Die Videos hätten das Unternehmen gezielt in Verruf gebracht, auch auf Social Media. Die CO₂-Betäubung sei gesetzlich erlaubt. Der Vorwurf: gezielte Stimmungsmache.

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Einschüchterung oder berechtigte Klage?

Für die Aktivisten geht es um mehr als nur ein Gerichtsverfahren, es geht ums Prinzip. „Als Privatperson angeklagt zu werden hat sehr deutliche Züge von einer Slap-Klage, also von einer Einschüchterungsklage”, meint Anna Schubert im Interview mit RTL. „Das machen Konzerne regelmäßig, um Kritikerinnen und Kritiker mundtot zu machen.” Ihr Ziel sei keine Provokation, sondern Aufklärung. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wie Schweine in Deutschland wirklich sterben, trotz gesetzlicher Zulässigkeit. „Wenn Worte versagen, dann braucht es Bilder“, sagt Schubert im Gerichtssaal.

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Vergleich gescheitert

Im Gerichtssaal wird schnell klar: Eine Einigung ist nicht in Sicht. Der Schlachthof bietet an, auf Schadenersatz zu verzichten, wenn die Aufnahmen nicht mehr gezeigt werden. Doch das lehnen die Aktivisten ab. „Die Bilder bleiben dort, wo sie jetzt sind, in der Öffentlichkeit“, stellt Haßel klar.

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Der zuständige Richter betont: Es sei eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit. Und stellt die zentrale Frage: „Heiligt der Zweck die Mittel?” Eine Antwort gibt es noch nicht. Das Verfahren wird fortgesetzt, ein Urteil wird für Juli erwartet. Bis dahin bleibt das Thema höchst umstritten. Nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich.